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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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war, auf der Brust. Ossacer deutete auf Mirron und murmelte etwas Unverständliches. Das kleine Mädchen war zusammengebrochen und lag zitternd auf der Wiese.
    Kessian stieg einfach übers Fensterbrett hinaus und eilte in den Garten. Hesther war schon zu Mirron unterwegs, Willem und Andreas kümmerten sich um Gorian.
    »Was ist passiert?«, fragte Kessian. »Was ist hier passiert?« Er bückte sich und legte Ossacer eine Hand auf die Schulter.
    »Ossacer«, sagte er. »Was ist geschehen? Hast du es gesehen?«
    Fassungslos und entsetzt starrte der Junge ihn an. Im Zwielicht waren seine Augen riesengroß, die Lider flatterten, seine Lippen bebten.
    »Mein Gott«, flüsterte er. »Genna, komm her und kümmere dich um Ossacer. Versuche, ihn zum Reden zu bringen.«
    Kessian drehte sich um. Andreas hatte inzwischen den schwer atmenden Gorian in die Arme genommen. Der Junge starrte Mirron an, die in Hesthers Umarmung weinte. Willem untersuchte unterdessen Gorians Handgelenk.
    »Es ist verbrannt«, sagte er, und seine Stimme klang staunend und ungläubig zugleich.
    »Sie hat das gemacht«, schniefte Gorian. »Mirron hat das gemacht. Sie hat mich verbrannt.«
    Er hatte große Angst, und als Mirron den Kopf hob und ihn ansah, barg er sein Gesicht an Andreas’ Brust.
    »Du wolltest nicht loslassen«, schluchzte Mirron. »Ich wollte dich nur aufhalten. Es tut mir leid, Gorian.«
    »Du hast mich verbrannt«, erwiderte Gorian. »Wie ist das möglich?«
    Kessian fing Willems Blick auf und musste sich sehr bemühen, sein Lächeln zu verbergen. Es war ein höchst unglücklicher Zwischenfall, aber was hier geschehen war, durfte nicht unterschätzt werden. Entscheidungen, Entscheidungen.
    »Shela, nimm Ossacer. Genna, du bringst Arducius zum Arzt. Sein Arm muss gerichtet und geschient werden. Du kannst ihm zeigen, wo die größten Schmerzen sind. Versuche, mit ihm zu reden und herauszufinden, was er gesehen oder gefühlt hat. Andreas, sorge dafür, dass Gorians Verletzung verbunden wird. Im Schrank neben meinem Waschgeschirr findest du eine Brandsalbe. Die Kinder schlafen heute Nacht getrennt voneinander.«
    Er kniete sich neben Mirron und Hesther. Seine alten Knochen knackten und protestierten. Irgendjemand würde ihm helfen müssen, sich wieder aufzurichten.
    »Nun, Mirron, weißt du, was geschehen ist? Versuche mir zu erklären, was du getan hast.«
    Mirron drehte das tränenüberströmte Gesicht zu ihm herum. Die Kleine war kreidebleich und hatte große Angst. Er strich ihr übers Haar, worauf sie sich eng an Hesther schmiegte.
    »Schon gut, meine Kleine«, flüsterte er. »Niemand ist böse auf dich.«
    »Gorian ist böse«, sagte sie mit einem winzigen Stimmchen.
    Kessian lächelte. »Ja, das mag sein. Aber er wird dir verzeihen. Kannst du mir jetzt erklären, was geschehen ist?«
    Sie schniefte und fuhr sich mit einer Hand über Nase und Mund. »Er wollte Arducius nicht loslassen. Er wusste, dass er ihm wehgetan hat, aber er wollte nicht aufhören. Ich wollte doch nur, dass er aufhört.«
    »Ich weiß, Mirron. Es ist gut, dass du deinen Bruder beschützen wolltest. Kannst du mir denn erklären, was in deinem Kopf passiert ist?«
    Sie schwieg einen Moment und ordnete ihre Gedanken. In Kessians Herzen keimte eine neue Hoffnung.
    »Die Flammen haben zu mir gesprochen«, sagte sie schließlich. »Sie haben mich gewärmt.«
    Kessian blickte zum Springbrunnen und den rauchenden, erloschenen Kerzen. Sie waren gut zehn Fuß entfernt. »Was ist dann passiert?«
    Sie runzelte die Stirn. »Das war schlimm.«
    »Was denn?«
    »Ich wusste, dass die Flamme Gorian wehtun würde. Er ist ja kein Feuerläufer. Aber die Kerzen waren zu weit weg, und Arducius hat geweint. Gorian hat ihm den Arm gebrochen.« Sie schluchzte wieder, und Hesther umarmte sie.
    »Sch-sch«, machte sie. »Schon gut.«
    »Du musstest ihn also aufhalten«, sagte Kessian. Mirron nickte bedrückt. »Und du dachtest, er lässt los, wenn er eine Flamme spürt?« Wieder ein Nicken. »Aber was hast du da eigentlich gemacht?« Er blickte auf sie herab, und sie sah ihn an, als sei er dumm. Sie hatte sich wieder gefangen, und ihre Augen verrieten ihre innere Sicherheit.
    »Ich habe die Kerzenflammen zusammengeholt und damit nach ihm geworfen«, sagte sie.
    Kessian richtete sich auf. Es hatte begonnen.

 
7

     
    844. Zyklus Gottes, 41. Tag des Solasauf
    11. Jahr des wahren Aufstiegs
     
    N ach einem von Albträumen geplagten Schlaf erwachte Mirron mit einem beklommenen Gefühl in

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