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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Mund. Gorian kämpfte seine Tränen nieder und war vor allem bemüht, nicht das Gesicht zu verlieren.
    »Nun«, fuhr Kessian fort, wieder ganz der sanfte Lehrer, »wir wollen uns über eines im Klaren sein. Alle eure Namen haben in der Geschichte des Aufstiegs einen ruhmreichen Klang. Ohne eure großen Vorbilder wäre keiner von uns hier. Vielmehr wären eure Vorfahren Asche, zerstreut vom Orden der Allwissenheit, damit ihre Zyklen unter Gott keine Fortsetzung finden. Du hast recht damit, Gorian, dass dein Ahne der Vorvater aller Aufgestiegenen war. Er war der Mann, der die Zusammenhänge begriff und alles, was er sah, hörte und lernte, auf Pergament bannte, damit all jene, die nach ihm kamen, seine Arbeit fortsetzen konnten. Er brachte sich sehenden Auges in große Gefahr und widersetzte sich entschlossen dem Orden, da er glaubte, nur der Aufstieg sei die richtige Entwicklung für die Menschen.
    Er stand jedoch nicht allein. Mirron legte für diejenigen, die Gorian fangen wollten, mehr falsche Spuren, als du in deinem ganzen Leben warme Suppen gegessen hat. Sie liebte und unterstützte Gorian. Sie war seine Kraft, sie war der Fels, an den er sich klammern konnte, um nicht unterzugehen. Sie zeichnete die Karten und Diagramme, die wir heute noch benutzen. Sie ging das gewaltige Risiko ein, vor den neugierigen, diebischen Augen alles zu verbergen, was sie gelernt hatten, als Gorian fliehen musste und letzten Endes gefangen und ermordet wurde. Wenn Gorian der Vater des Aufstiegs war, dann war Mirron unsere Mutter.«
    Inzwischen hörten sie ihm so hingerissen zu, dass er unwillkürlich lächelte. Im Schneidersitz saßen sie vorgebeugt da und nahmen alles auf, was er ihnen zu geben hatte. In diesem Moment waren sie einfach nur Kinder. Im nächsten Augenblick würden sie viel, viel mehr sein. Ihm war bewusst, wie schwer es ihnen fiel, Tag für Tag das Gleichgewicht zu halten, und es würde mit der Zeit nicht einfacher werden.
    »Aus allen unseren Schriften und den Geschichten, die über die Generationen überliefert worden sind, geht außerdem ganz eindeutig hervor, dass ihre Taten ohne die unermüdliche Unterstützung von Arducius und Ossacer nicht möglich gewesen wären. Sie haben die Organisation treuer Männer und Frauen aufgebaut, die jede Bewegung des Ordens beobachtet hat. Sie kamen jungen Angehörigen der Linien zu Hilfe, die in Gefahr geraten waren. Sie kämpften in der Schlacht von Carao Seite an Seite mit Gorian, und sie ermöglichten ihm am Tag vor der Hinrichtung die Flucht aus den Kerkern von Cirandon, lange bevor er überhaupt auf die wichtigen Dinge stieß, die wir heute wissen.
    Ja, Arducius und Ossacer sind als alte Männer gestorben. Doch sie starben in den Armen anderer, die sie liebten und im Wissen, dass sie ihr Leben damit verbracht hatten, alles möglich zu machen, was seitdem geschehen ist. Dazu gehört auch ihr vier. Wie ihr gesehen habt, gibt es wieder Neugeborene, und fünf Linienmütter sind schwanger. Wir haben große Hoffnungen.
    Sie waren alle Helden, und ihr sitzt hier, weil sie alle ihr Bestes gegeben haben. Vergesst das nicht. Ich will keine Sticheleien und Scherze mehr hören, so unschuldig sie für euch auch klingen mögen.« Sein Lächeln wurde breiter. »Ihr habt mich doch verstanden, nicht wahr?«
    »Ja, Vater Kessian«, antworteten sie im Chor.
    »Gut. Und jetzt an die Arbeit.«
    Er sah ihre eifrigen Mienen und nickte erfreut. Wie alle Linienmitglieder hatten sie ihre Fähigkeiten einfach akzeptiert. Das Problem bestand darin, ihnen zu erklären, dass nicht alle so großes Talent besaßen wie sie, und dass sie über die Maßen begabt waren. In den folgenden Generationen sollte jeder von Geburt an irgendeine Begabung haben. Dies war doch gewiss das, was Gott für sein Volk auf seiner Erde vorherbestimmt hatte. Bis dahin aber …
    »Heute sollt ihr über das hinaus denken und hinausgreifen, was euch normalerweise wie von selbst zur Verfügung steht.« Stöhnen erhob sich im Obstgarten. Er hob die Hände. »Ich weiß, ich weiß, wir haben es schon hundertmal versucht, wie ihr mir so gern erzählt. Allerdings glaube ich, wir waren beim letzten Mal nahe daran. Mir ist schon klar, dass ich eure Geduld auf eine harte Probe stelle, aber auch für uns ist das neu.« Er hob die Hände. »Wer weiß, vielleicht werden diese Lehren in der Zukunft für alle etwas Selbstverständliches sein. Vielleicht werden nach euch Schüler kommen, die euch ganz ähnlich sind.«
    Mirron hob eine Hand.
    »Ja,

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