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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Freundschaft bot.
    »Nun denn«, sagte Kessian. »Wo beginnen wir?«
    »Tja«, antwortete Vasselis, während er die dunkelblaue, golden und weiß gesäumte Amtstoga zurechtrückte. »Deine Vorstellungen, wann du dich an die Bürger von Westfallen wenden willst, klingen vernünftig. Wenn die Händler nach dem Fest die Stadt verlassen, wird noch alles ganz normal aussehen. Nach deiner Erklärung müssen wir anschließend jedoch die Stadt abriegeln. Darum kann ich mich kümmern. Keine Sorge, du wirst hier nichts davon bemerken. Es wäre ja zwecklos, die Leute zu verschrecken. Was meine Soldaten angeht, so wird es eine militärische Übung sein. Ich lasse mir einen passenden Vorwand einfallen.«
    »Den zu erfahren, würde mich sehr interessieren.«
    »Wie wäre es mit einer Quarantäne wegen eines Ausbruchs der Rinderseuche? Das erlaubt es uns, deine Bürger drinnen zu halten, falls irgendjemand plötzlich auf die Idee kommt, die Stadt zu verlassen. Selbstverständlich können wir auch alle aufhalten, die über Land oder See kommen.«
    Kessian kicherte. »Das ist fast zu leicht, was?«
    »Wie ich schon sagte, so etwas kann ich gut.« Dann wurde Vasselis’ Miene wieder ernst. »Leider ist dies noch der einfachste Teil. Ich kann die Übung mit meinen Soldaten nicht ewig ausdehnen, und ihr könnt nicht ewig ohne Handel überleben. Wir müssen also rasch ein Stadium erreichen, in dem eure Grenzen so sicher wie möglich sind; ohne Verdacht zu erregen. Ich werde meine Pläne darauf einstellen und sie so bald wie möglich mit euch abstimmen.
    Erst an diesem Punkt können wir darüber nachzudenken beginnen, wie wir die Aufgestiegenen mit irgendjemandem von draußen zusammenbringen, wer es auch sei. Es ist schwer einzuschätzen, wie andere reagieren, aber es wäre naiv anzunehmen, dass sie auf breite Zustimmung stoßen. In dieser Hinsicht bist du sicher meiner Meinung. Vor allem müssen wir wohl mit Furcht und Missverständnissen rechnen.«
    »Aber nur, wenn die Menschen wissen, was das alles für uns bedeuten könnte«, entfuhr es Kessian unwillkürlich.
    »So solltest du nicht denken«, gab Vasselis scharf zurück. »Du weißt das so gut wie ich. Wir müssen die Geheimhaltung gewährleisten, solange es nur möglich ist, aber eines ist doch gewiss – früher oder später wird etwas durchsickern. Wenn die Aufgestiegenen älter werden und immer mehr nach außen dringt, werden die Leute die Zusammenhänge erkennen und zu reden beginnen. Bevor das geschieht, müssen wir die Unterstützung anderer, mächtiger Leute gewonnen haben. Ich muss mir überlegen, wann ich mit der Advokatin und den Einnehmern rede. Sie wären äußerst nützliche Verbündete. Vielleicht kommen auch andere Dynastien von Marschallverteidigern infrage, außerdem einige innerhalb des Ordens, von denen wir wissen, dass sie so denken wie wir.«
    Vasselis hielt inne und trank einen Schluck Wein. Sein Mund und seine Augen verrieten, welch große Sorgen er sich machte.
    »Was ist denn los, Arvan?«, fragte Kessian leise.
    Der Marschall antwortete mit einem Lächeln. »Ich kenne diese Stadt seit nunmehr vierzig Jahren. Seit ich ein kleiner Junge war, am Weidensee gespielt habe und unter den Genastrofällen geschwommen bin. Ich liebe den Geruch der Fischernetze an den Wegen im Hafen und das Geräusch der Schiffe, die gegen die Docks prallen, wenn die Flut kommt. Dich und Genna zähle ich zu meinen teuersten und besten Freunden, auch wenn du neunzig Jahre älter bist als ich. Früher habe ich meinen Vater bedrängt, hierher umzuziehen, und diesen Wunsch habe ich heute noch. Beim Gott, der neben uns wandelt, wäre ich nicht der Marschallverteidiger, ich würde mich tatsächlich dauerhaft hier niederlassen, so groß ist meine Liebe für Westfallen und seine Bewohner. Es ist der schönste, wärmste Ort in der ganzen Konkordanz, und du weißt, dass ich einen großen Teil unseres geliebten Reichs gesehen habe.«
    »Ich werde den Eindruck nicht los, dass gleich ein gewichtiges ›Aber‹ kommt«, sagte Kessian, der voller Stolz Vasselis’ treffende Beschreibung des Ortes vernommen hatte, den viele Besucher sofort ins Herz schlossen und den die Einheimischen nur äußerst widerstrebend verließen.
    »Ich habe Angst, dies alles könnte zerstört werden«, fuhr Vasselis fort. »Du musst es wissen, Ardol, und auch du hast sicher Angst. Ihr alle. Du, die ganze Autorität, Westfallen. Ihr alle verbergt, weil es notwendig war, seit Generationen euer wahres Gesicht vor dem Orden

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