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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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in die Lungen sogen, wenn die Angst schrecklich war und der Hustenreiz unüberwindlich schien – bis das Verständnis einsetzte, bis der Körper zu atmen lernte und langsam gegen die Reflexe ankämpfte, bis sie glücklich unter der Oberfläche schwammen, Fische ausmachten und die Wunder und Gefahren des Meeresbodens entdeckten.
    Sie wandte sich ab und blickte rasch hinauf, wo vierzig Fuß über ihr die Sonne auf dem Wasser spielte. Dann schwamm sie zu den anderen, die sich schon an ihrem Lieblingsplatz versammelt hatten. Sie tollten unter den Genastrofällen herum, die sich direkt ins Meer stürzten. Es war ein schöner Ort, um unter Wasser Verstecken zu spielen. Sie bewegte ihre Beine kräftiger, um zu den anderen aufzuschließen, und fühlte sich ein wenig einsam. Diese drei, die sie als ihre Brüder betrachtete, waren die einzigen echten Freunde, die sie überhaupt hatte.
    Jen bemühte sich zwar, war jedoch zu alt, und es war manchmal sogar peinlich. Mirron hatte in der Schule Freundinnen gefunden, aber die Eltern der anderen Mädchen luden Mirron nur selten ein und erlaubten ihren Töchtern nicht oft, Mirron zu besuchen. Sie verstand es nicht, auch wenn sie wusste, dass sie anders war, seit ihre Fähigkeiten erwacht waren. Die meisten ihrer Freundinnen hatten in ihrer Jugend eine einzige Fähigkeit besessen. Vielleicht waren sie eifersüchtig, auch wenn sie es nicht zeigten.
    Als sie ankam, hatten die anderen bereits mit einem neuen Spiel begonnen. Gorian schwebte mitten in den Blasen, die der Wasserfall erzeugte, im Wasser. Sie perlten angenehm über die Haut, und das Tosen der Kaskade klang ihnen wie gedämpftes Donnergrollen in den Ohren. Mirron bekam dabei jedes Mal eine Gänsehaut. Er bemerkte sie und winkte sie zu sich. Mit einem kleinen Schauder folgte sie seiner Einladung. Im Augenblick waren sie allein.
    Goran war schön. Launisch, aber so lebendig. Sein Haar schwebte um seinen Kopf, und seine Augen leuchteten im Wasser. Kräftig waren die Muskeln auf seinen Armen, der Brust und den Beinen. Sie schwamm nahe an ihn heran und schwebte dann ruhig vor ihm, während die Blasen vor ihren Gesichtern tanzten. Auf einmal verspürte sie den starken Drang, ihn zu küssen, hatte zugleich aber auch etwas Angst, weil sie das gleiche Begehren in seinen Augen erkannte. Hier hatten sie den Frieden gefunden, und sie wollte, dass der Moment nie zu Ende ginge. So kämpfte sie, um es nicht zu verderben, gegen den Wunsch an, ihn zu berühren. Gorian öffnete den Mund, saugte Blasen ein und spie sie in ihre Richtung wieder aus. Sie lachte. Es klang seltsam in ihren eigenen Ohren.
    Wer sucht jetzt?, fragte sie, indem sie eine Handfläche hob und die andere Hand über ihre Augen legte.
    Ossacer, antworte er, indem er vier Finger hob. Sie war die Nummer zwei, Arducius die drei. Gorian war natürlich der Erste. Ossacers Augenlicht schwand rasch dahin. Fair war es nicht, aber genau deshalb versteckte Gorian sich im Wasser zwischen den Strömen der Luftblasen. Ausgebrochen war die Krankheit vor zwei Jahren nach dem Schock über Mirrons Erwachen, und die Ärzte konnten nichts tun, um ihren Verlauf aufzuhalten oder ihn gar zu heilen. Noch vor der Mitte des kommenden Dusas würde er völlig blind sein. Bis dahin genoss er das bisschen Augenlicht, das er noch besaß, ging seiner Arbeit nach und spielte wild und voller Entschlossenheit.
    Wo war Arducius? Sie benutzte das Zeichen für »suchen« und »drei«.
    Gorian zuckte mit den Achseln und deutete nach unten.
    Ossacer?
    Lächelnd deutete Gorian mehrmals nach unten, um eine große Entfernung anzudeuten. Dann streckte er eine Hand aus und strich durch ihre Haare. Einige Strähnen hatten sich aus dem Band gelöst und wehten im wirbelnden warmen Wasser vor ihren Augen. Sie hatte nicht den Wunsch, sich zurückzuziehen. Im Bauch hatte sie einen warmen Klumpen, sie zitterte. Eine Schule winziger silberner Fische schoss vorbei und hüllte sie einige Augenblicke lang ein, bevor sie durch die Bucht weiterzogen. Gorian beugte sich herüber, bis sein Gesicht ihr sehr nahe war. Sie glaubte schon, seinen Atem in ihrem Gesicht zu spüren. Ganz dicht vor den ihren waren jetzt seine Lippen.
    Ein dumpfer Schlag hallte durchs Wasser. Einmal, zweimal, dreimal. Hesther oder Shela riefen sie ans Ufer zurück. Mirron wich vor Gorian zurück, der die Stirn runzelte und ihr winkte. Kopfschüttelnd deutete sie nach oben und zum Ufer und zog dabei die Augenbrauen hoch: »Jetzt sofort.« Gorian nickte. Der

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