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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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in ihr vorging.
    »Ich glaube, die Worte Gottes müssen aus dem Munde von Gläubigen kommen, nicht aus den Waffen ihrer Verteidiger. Ich werde Euer Gesuch durchlesen und Euch bis morgen Abend meine Entscheidung mitteilen.«
    Die Kanzlerin schüttelte den Kopf, verneigte sich und machte kehrt, um mit ihrem Gefolge die Basilika zu verlassen. Die Advokatin sah ihr mit besorgtem Gesicht hinterher und nagte an der Oberlippe.
    »Jetzt zu anderen Angelegenheiten«, sagte sie. »Die Liste der Eingaben ist so lang wie das Haar meiner Tochter, und der Abend rückt näher.«

 
13

     
    847. Zyklus Gottes, 10. Tag des Dusasauf
    14. Jahr des wahren Aufstiegs
     
    H erine Del Aglios, Advokatin, Erste Sprecherin des Ordens und Mutter von vier Kindern, hakte sich bei Paul Jhered unter, sobald sich die Palasttüren hinter ihnen geschlossen hatten. Mit ihren siebenundsechzig Jahren näherte sie sich voller Anmut der zweiten Lebenshälfte. Sie stand einer Konkordanz vor, die sie unbedingt befrieden wollte, ehe sie die Zügel ihrem ältesten Sohn Roberto überließ.
    Der große Soldat neben ihr musste beinahe schlurfen, doch sie war entschlossen, den kleinen Spaziergang durch ihre Gärten und Höfe mit den Säulen und Statuen auszukosten. Alle ihre Wächter, Ratgeber und Begleiter hatte sie fortgeschickt.
    »Wenn wir noch langsamer gehen, wachse ich fest«, grollte Jhered.
    »Würdest du mit mir marschieren, wie du willst, dann müsste ich vorzeitig in die Erde zurückkehren«, erwiderte Herine. »Entspanne dich und genieße den Aufenthalt in meinem Haus. Schau nur.«
    Sie hielt ihn auf und machte eine ausholende Geste mit der freien Hand. Im Garten war es kalt, und er vermisste die prächtigen Farben eines späten Tages im Genasab, aber selbst in den schlichten Kleidern des Dusas bot er mit den Hunderten Laternen, die die Nacht vertrieben, einen erstaunlichen Anblick. In den Armbeugen der Statuen, hinter Glasscheiben am Grund von Springbrunnen, in Blumenbeeten oder an Stäben in Kopfhöhe sanft schaukelnd, überall brannten Lichter.
    So bekam der von Säulen umrahmte offene Platz etwas Verträumtes und bot eine Zuflucht nach dem Lärm und den Wirren der Staatsgeschäfte. Nach einem Tag in der Basilika war Herine stets sehr erschöpft, so sehr sie auch das Hin und Her der Debatten schätzte und obwohl sie viel dadurch gewann, dass sie zugleich die gewöhnlichen Bürger und die erfahrenen Staatsbeamten anhörte.
    Jhereds Ankunft am Nachmittag war ein echter Segen gewesen, denn ganz abgesehen davon, dass er aus den äußeren Gebieten unvoreingenommene Neuigkeiten mitbrachte, war er ein kluger Gesellschafter und Gesprächspartner. Manchmal fühlte sie sich, als steckte sie in einem Kokon. Jhered brachte einen frischen Wind in ihr Leben.
    »Es ist einer meiner Lieblingsorte in der ganzen Konkordanz, meine Advokatin«, räumte Jhered ein.
    »Ach, nun hör doch auf damit, Paul«, sagte Herine. »Immer der förmliche Soldat. Wir sind hier unter uns.«
    Jhered lächelte. »Autorität und Respekt sind die Grundpfeiler unserer Regierung, Herine. Manchmal fällt es mir schwer, dies zu vergessen, selbst wenn ich unter Freunden bin.«
    »Bin ich denn deine Freundin?«, fragte Herine.
    Jhered schaute mit gerunzelter Stirn auf sie hinab. Er war ein sehr kräftiger, beeindruckender Mann und besaß eher eine starke Ausstrahlung, als dass man ihn gut aussehend hätte nennen können. Er war mindestens zwei Köpfe größer als sie und überragte sie wie ein Gebirge.
    »Daran solltest du niemals zweifeln«, erwiderte er. »Du bist eine der wenigen in der Konkordanz, die ich als Freunde bezeichnen würde. Es gibt nicht viele, denen das Wohl der Konkordanz eine Herzensangelegenheit ist. Nicht einmal unter denen, die dir lieb und teuer sind.«
    Herine entging der kleine Seitenhieb nicht, und sie pfiff leise durch die Zähne. »Höre ich da eine Warnung?«
    »Du weißt, wie ich die einschätze, die dich Tag für Tag umgeben, und in dieser Hinsicht stimme ich ausnahmsweise mit der Kanzlerin überein. Sie sehen nicht, was wir sehen, sondern lassen sich von den Reichtümern blenden, die eine hohe Position mit sich bringt. Wäre ich einer von ihnen, dann würde ich vermutlich auch sehr leise auftreten.«
    Herine zupfte ihn am Ärmel. »Du würdest dich nicht fürchten. Ich sage immer noch, du hättest einwilligen sollen, mein Geliebter zu werden und mit mir ein Kind zu zeugen.«
    »Dazu ist mir mein Gemächt zu teuer.«
    Darüber mussten sie laut

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