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Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann

Titel: Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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gekommen, um Euch etwas zum Nachdenken zu geben. Wenn wir gesiegt und die Tsardonier abgewehrt haben, werden wir unsere ganze Kraft darauf verwenden, Atreska zurückzugewinnen. Euer stolzes Land braucht dann einen starken, klugen Herrscher. Da könnten Eure Fähigkeiten gefragt sein.«
    Megan zuckte zusammen und erbleichte, nachdem ihr Gesicht gerade noch gerötet gewesen war. »Ich könnte nicht …«
    »Warum denn nicht? Was war denn Yuran vor seiner Beförderung? Ein höherer Offizier und ein Adjutant des Königs.«
    »Aber ich liebe ihn. Ich kann nicht seine Nachfolge antreten.«
    »Ich weiß, es ist schwierig. Auch ich habe meinen Vater geliebt. Aber es ist wichtig, dass keine zu harten Brüche entstehen, und dafür könntet Ihr sorgen.«
    »Ich war doch nur seine Adjutantin.«
    »Im Augenblick seid Ihr eine Botschafterin«, erwiderte Herine.
    »Was wird ihm geschehen, wenn er sich vor der Konkordanz verantworten muss?«
    Herine lächelte traurig. Das Mädchen kannte die Antwort bereits. Verräter hatten keine hohe Lebenserwartung.
    »Das wird die erste Prüfung Eurer Fähigkeiten sein. Ich will Euch an meiner Seite sehen, Megan, aber Ihr müsst Euch bewähren. Es heißt, die ersten Entscheidungen, die ein Herrscher trifft, seien die schwierigsten und gefährlichsten. Dem würde ich zustimmen, und dies dürfte bei Euch nicht anders verlaufen. Wenn er vor Gericht gestellt wird, muss sein Nachfolger den Befehl zur Hinrichtung unterzeichnen, wie es das Protokoll und das Gesetz verlangen.«
    Herine stand auf. »Vielleicht fragt Ihr Euch, warum ich gerade jetzt damit zu Euch komme, während die Konkordanz in solcher Gefahr schwebt. Der Grund ist, dass ich an nichts anderes als den Sieg denke, und wenn dieser unausweichliche Sieg kommt, muss ich bereit sein für den nächsten Schritt. Ich will morgen Eure Antwort hören. Schlaft gut, Megan.«
     
    Prosentor Rensaark, inzwischen der Oberkommandierende aller atreskanischen Truppen im Osten, blickte stirnrunzelnd zum Thron hinauf, auf dem Yuran saß. Gorian stand rechts neben ihm.
    »Ich begreife es nicht«, sagte er. »Die Schlacht ist noch lange nicht gewonnen. Wir haben hingenommen, dass wir Del Aglios nicht aufhalten konnten und haben deshalb Legionen ausgesandt, um unsere Kräfte an der neratharnischen Grenze zu verstärken. Du kannst doch nicht in diesem Stadium deine Ansicht ändern. Wir stehen kurz vor dem Sieg.«
    »Prosentor, deine Beförderung ist lange überfällig, und ich weiß deine Ratschläge wie immer zu würdigen. Allerdings muss ich in die Zukunft blicken. Immerhin bin ich nach wie vor der Herrscher von Atreska. Ich kann der Verlegung der stehenden Truppen von Haroq nicht zustimmen. Was ist, wenn Del Aglios sich entschließt, lieber hierherzukommen, statt sich nach Neratharn zu wenden? Es wäre ein kluger Schachzug, unsere Hauptstadt einzunehmen. Deshalb rufe ich die Truppen zurück. Sie haben sich bisher nicht am Kampf beteiligt und werden deshalb auch nicht vermisst werden.«
    Rensaark schüttelte den Kopf. »Das ist eine unkluge militärische Entscheidung. Wir kennen die Zahlen und wissen, wohin Del Aglios sein Heer führt.«
    Yuran winkte mit einer Hand. »Nenne es, wie du willst, meine Entscheidung steht fest. Entspanne dich. Unser Sieg ist ebenso gewiss wie dein Platz in der Geschichte des Königreichs Tsard.«
    »Was ist mit dir geschehen! Du sprichst, als wärst du nicht mehr der Alte. Dieser Knabe hat deinen Verstand vergiftet. Sein Erscheinen und deine zunehmende Unvernunft hängen sicherlich zusammen.«
    »Mach dich nicht lächerlich. Hat er dir keine Informationen geliefert? War er nicht uns beiden nützlich?«
    Rensaark zeigte mit einem Finger auf Gorian. »Ich behalte dich im Auge, vergiss das nicht.«
    Gorian lächelte nur, und seine Augenfarbe wechselte von einem dunklen Orange zu Grau. »Nur zu, wenn es Euch beruhigt.«
    Rensaark stolzierte aus dem Raum. Yuran wandte sich an Gorian, und auf einmal war sein ganzes Draufgängertum dahin. Er begann wieder zu zittern.
    »Schon gut«, sagte der Junge. »Ihr habt die richtige Entscheidung getroffen. Ihr vertraut mir doch, oder?«
    Yuran blieben die Worte im Hals stecken. Es war kein Vertrauen, er empfand Angst. Gorian nahm die Hand von seinem Nacken, und die Kälte verschwand.
    »Keine Angst«, sagte er. »Ich habe nicht die Absicht, Euch zu töten. Wir brauchen einander, Ihr werdet schon sehen.«
    Yuran blickte in die Zukunft und sah nichts als Finsternis.

 
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    848. Zyklus Gottes, 18.

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