Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
angreifen, nachdem wir unterwegs alle Leute aus Gesteris’ Armee eingesammelt haben, die wir nur finden können.«
»Ich halte es nicht für ratsam, in der nächsten Zukunft gegen eine Streitmacht von dreißigtausend Tsardoniern anzutreten«, wandte Elise ein. »Ich stimme zu, dass wir uns aufteilen müssen, um beide Länder zu verteidigen, aber wir müssen auch darauf achten, dass wir erst gegen die Tsardonier kämpfen, wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt. Falls das stehende Heer in Atreska nicht standhalten sollte, wäre es unklug, den Feind einfach von hinten anzugehen. Wir sind nicht stark genug, solange das Überraschungsmoment nicht ganz und gar auf unserer Seite ist.«
»Das ist wahr«, stimmte Roberto zu. »Nun sagt mir noch etwas, ihr alle. Wir sind uns einig, dass die Tsardonier schon seit einigen Tagen in Haroq sind, falls Kell recht hat und ihre Zeitangaben zutreffen. Wenn die Atreskaner überrascht wurden, dann ist Haroq möglicherweise sogar schon gefallen, und dem Feind steht der Weg bis nach Byscar und zur Küste offen.
Ihr wisst, wie groß meine Armee ist. Sollten wir uns auf ein Land beschränken, das sehr leicht verloren werden kann, oder sollten wir lieber an die Konkordanz als Ganzes denken? Oder ist dies beides in Wirklichkeit ein und dasselbe?«
»Was schlägst du vor, Roberto?«, fragte Dahnishev.
»Wir sollten weiter nach Süden gehen, nach Gestern, weil auch die Tsardonier dorthin wollen. Wir wissen, dass Jorganesh sich durch Atreska zurückziehen wird, um die Grenzen von Gestern zu verstärken. Außerdem müssen wir auch Kark berücksichtigen.«
»Wir können mein Land nicht im Stich lassen«, sagte Shakarov leise.
»Aber wie können wir ihm am besten dienen, Goran?«, fragte Roberto. »Wir sind fünfzehntausend und haben es mit einer plündernden Truppe zu tun, die mindestens doppelt so groß ist. Es ist ein Heer, das vor kurzem den Sieg geschmeckt hat und vielleicht, ich sage vielleicht, von denen unterstützt wird, die wir bislang als Verbündete betrachtet haben. Im Winter werden sie spätestens in Neratharn aufgehalten, wenn nicht schon vorher durch die stehenden Heere der Konkordanz.«
»Meinst du also, wir sollten dem Konflikt in Atreska völlig ausweichen?«, fragte Davarov. »Das kann doch nicht dein Ernst sein, Roberto.«
»Es ist eine von mehreren Möglichkeiten. Mir macht vor allem eines Sorgen. Zwar können wir relativ rasch Kräfte zur Verteidigung heranführen, um den Vormarsch der Tsardonier durch Atreska und auch nach Gosland aufzuhalten, aber dies gilt nicht für Gestern. Wäre ich der tsardonische Kommandant, ich würde mein Auge auf Gestern richten und die Insel Kester annektieren. Von dort aus hätte ich Estorea in der Zange, und ich hätte die Kontrolle über alle Handelswege nach Kark, über die Mineralien und Erze transportiert werden.«
Schweigen senkte sich über den Raum. Er beobachtete sie, während sie die Karte auf dem Tisch anstarrten.
»Ein riesiges Gebiet, nicht wahr?«, fuhr er schließlich fort. »Wir tragen nun die Verantwortung für dies alles.«
Shakarov und Davarov bargen ihre Gesichter in den Händen.
»Goran, du hast erklärt, du würdest für mich und die Konkordanz kämpfen«, sagte Roberto. »Der Kampf wird jedoch nicht in deiner Heimat stattfinden. Noch nicht, aber ich verspreche dir, dass wir zu Atreskas Befreiung beitragen werden, falls es fallen sollte. Ich weiß, wie schwer dies für dich ist, aber dies ist meine Entscheidung. Wir werden die Tsardonier auf dem Weg nach Süden so weit wie möglich behindern, uns aber keinesfalls zwischen den vorstoßenden Feinden und deren Verstärkungen aufreiben lassen. Auch werde ich nicht das Risiko eingehen, diese Armee blindlings in ein Land marschieren zu lassen, in dem bald ein offener Krieg herrschen wird. Habe ich eure Unterstützung?«
Davarov und Shakarov wechselten einen Blick.
»Bedingungslos wie immer«, sagte Davarov.
»Gut«, erwiderte Roberto. »Wir marschieren morgen drei Stunden vor der Dämmerung los. Unterrichtet eure Bürger und sorgt dafür, dass sie es verstehen. Die Lage hat sich geändert. Wir marschieren nicht mehr dem Sieg entgegen, sondern wir müssen die Konkordanz retten. Das ist für uns alle etwas völlig Neues. Noch etwas, Shakarov und Dahnishev. Ich dulde keine Streitigkeiten unter meinen kommandierenden Offizieren. Noch ein Verstoß, und ihr werdet eurer Ämter enthoben, ob ihr nun meine Freunde seid oder nicht.
Wegtreten. Neristus, bleibe bitte noch
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