Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
antwortete der Kapitän, und Jhered hatte keinen Zweifel, dass er es tatsächlich tun würde.
Jetzt kamen die feindlichen Schiffe hinter der Hafenmauer zum Vorschein. Es waren Triremen, kleiner und schneller als die Schiffe der Einnehmer, und sie waren mit Rammspornen am Bug ausgerüstet. Der Kapitän segelte ihnen direkt entgegen. Abermals feuerten die Geschütze der Festung von Byscar. Wie gebannt starrte Jhered die heranfliegenden Brocken an. Die Steine boten im aufsteigenden ersten Teil ihrer Flugbahn einen faszinierenden Anblick. Weit gestreut kamen sie wieder herunter, er hörte das Pfeifen, als sie vorbeiflogen. Es waren die Laute der Windteufel, die den Menschen ihren Untergang verkündeten.
Dann die Einschläge. Wieder spritzte Wasser übers Deck. Ein Stein kam gefährlich nahe an der Backbordseite herunter, zwei Ruder wurden geknickt und splitterten. Unter Deck wurden die Männer von den Sitzen geworfen. Jhered hörte sie kreischen. Das Schiff wurde langsamer, der Schlagrhythmus war gestört. Es wiegte sich in der Dünung.
Hinter ihnen ertönte ein Knall. Mit einer Hand am Mast, um nicht zu stürzen, fuhr Jhered erschrocken herum. Die Falkenspeer war beschädigt. Ein Stein hatte in halber Höhe ihren Mast getroffen und zerbrochen. Der mächtige Pfahl kippte auf die Backbordseite, Holzstücke und Späne schneiten herab, während das ganze Schiff heftig bebte.
Einige Männer gingen über Bord oder stürzten aufs Deck, manche blieben hilflos unter dem abgebrochen Stück des Masts, unter Takelage und dem gerefften Segel liegen.
Der Aufprall des Masts zerstörte die Reling und ließ das Holz splittern, einige Leviumkämpfer wurden zerquetscht. Drüben auf den Klippen jubelten die feindlichen Soldaten und übertönten Jhereds Befehle und die Schmerzensschreie seiner Leute. Er blickte zum Kapitän, der den Kopf schüttelte und seinen Leuten befahl, noch schneller zu rudern, statt dem anderen Schiff zu Hilfe zu kommen.
Jhered riss sich von der Falkenspeer los und blickte wieder nach vorn.
»Bogenschützen!«, rief er. »Vor uns sind Ziele. Nehmt sie euch vor.«
Die Feinde näherten sich mit der Kraft der Segel und der Ruder. Jeweils etwa siebzig Schritte voneinander entfernt, fuhren sie nebeneinander. Die Falkenpfeil hielt geradewegs auf sie zu und gab nicht zu erkennen, was der Kapitän beabsichtigte. Rasch verringerte sich die Entfernung. Jhered hörte die Trommeln der Atreskaner den Takt für die Ruderer schlagen. Auf Deck sammelten sich die Bogenschützen.
Weniger als hundert Schritte entfernt wechselte der Kapitän den Kurs. Er warf das Ruder nach Steuerbord herum und zielte auf die Lücke zwischen zwei gegnerischen Schiffen. Gleichzeitig nahmen die Ruderer an der Steuerbordseite die Ruder hoch, um die Wende zu beschleunigen. Dennoch wollte sich das große Schiff nur schwerfällig drehen, und die Feinde reagierten sofort. Beide Triremen bogen ebenfalls ab und verkleinerten die Lücke zwischen ihnen.
»Ruder runter und ziehen!«, brüllte der Kapitän.
Die Steuerbordruder tauchten ins Wasser und wühlten es auf, das Schiff lief jetzt wieder geradeaus und beschleunigte.
»Bogenschützen, macht euch bereit!«, rief Menas. »Die erste Salve.«
Auf einmal fühlte Jhered sich schrecklich ungeschützt. Sein Schild lehnte noch im Bug an der Reling. Jedem Instinkt zum Trotz rannte er nach vorn, während die Feinde ihnen den Fluchtweg abschnitten. Pfeile flogen, seine Leviumkrieger schossen auf beiden Seiten Salven ab und duckten sich, wenn die Gegner zurückschossen. Jhered legte sich flach aufs Deck. Über ihm flogen zischend die Pfeile vorbei und trafen Holz und Metall. Glücklicherweise hörte er keinen einzigen Schrei.
Als er den Kopf hob, blieb ihm abermals fast das Herz stehen. Zwischen den Schiffen war kaum noch genug Platz, um hindurchzukommen. Sie waren nur noch dreißig Schritte voneinander entfernt. Die Rammsporne richteten sich mit jedem Schlag der Ruder genauer aus, aber jetzt konnte Jhered erkennen, was der Kapitän beabsichtigte. Er packte seinen Schild und hockte sich in den Bug, um über die Reling zu spähen und den Bogenschützen einige Anweisungen zu geben. Jetzt wünschte er sich, er hätte die Kunst des Bogenschießens gelernt und könnte sie unterstützen. In seiner Jugend hatte er sich viel zu sehr mit dem Schwert beschäftigt.
Die Luft verdunkelte sich vor Pfeilen, seine Leviumkrieger stießen aufgeregte Rufe aus. Die Metallspitzen prasselten herab wie der Hagel auf ein Hausdach.
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