Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
lang keinen direkten Gegner mehr hatte, hackte er auf die Befestigung der Schlinge ein und zerstörte die dicken Seilbündel am Fuß des Wurfarms, die als Feder dienten.
Gleich darauf sprengte er weiter. Inzwischen hatte sich die Legion der Konkordanz vor dem Durchbruch verteilt und griff die Gegner an, um nach Möglichkeit noch weitere tsardonische Katapulte auszuschalten. Doch die Feinde rannten mit einer gewaltigen Übermacht gegen sie an und waren im freien Feld, jenseits des schmalen Durchbruchs, weit überlegen.
Harin sah sich um. Die Tsardonier hatten die Reihen seiner Leviumkrieger durchbrochen und wollten den Bedienmannschaften zu Hilfe kommen. Im Norden und Osten waren seine Leute in heftige Kämpfe verwickelt, doch er konnte sie nicht erreichen. So spornte er sein Pferd an, um ein neues Ziel anzugreifen. Wenn er nicht zurück konnte, dann musste er eben weiter. Überall rannten jetzt Tsardonier herum, die genau wussten, dass der Feind bis in ihre Mitte vorgestoßen war.
Er musste vor dem Wall auf offenes Gelände gelangen und so viele Einnehmer um sich scharen, wie er nur konnte. Die Zeit wurde knapp.
Roberto war längst klar, dass die Schlacht an der Grenze von Neratharn begonnen hatte, und was noch wichtiger war, auch seine ganze Truppe wusste es. Sie hatten lange, grausame Tage hinter sich. Das Gefolge war längst nach Gestern zurückgekehrt. Hier gab es keine Beute, sondern nur Schlamm, Kälte und den Tod.
Er hatte keine Zeit, sich darüber zu sorgen, dass jeder Mann, jede Frau und wahrscheinlich auch jedes Pferd ihn hasste. Seine eigenen Blasen waren so schlimm wie die aller anderen. Nach den endlosen Märschen taten ihm alle Knochen weh, seine Knie waren geschwollen, seine Rüstung zog ihn nach unten, und seine Hände waren die meiste Zeit steif gefroren und nutzlos. Alle hatten sich inzwischen die Stiefel ausgezogen und über den Rücken gehängt, aber die Lumpen, die viele sich um die Füße gewickelt hatten, schützten nicht vor dem Frostbrand, der sich in ihre Füße hineinfraß.
Obwohl Dahnishev ihn drängte, weigerte er sich zu reiten. Nur diejenigen, die nicht mehr laufen konnten, durften den ganzen Tag auf dem Pferd sitzen. Auch seine Kavallerie hatte Anweisung bekommen, neben der Infanterie zu laufen. Der Gemeinschaftsgeist, hatte er gesagt, war der Schüssel für diesen Marsch. Sie hatten Wagen verloren, viele Krieger hatten Knochenbrüche erlitten, einige waren desertiert. Die Wagen hatten sie einfach zurückgelassen, mit den Deserteuren konnte er sich jetzt nicht befassen. Die verletzten Kämpfer mussten sehen, wie sie zurechtkamen, falls sich nicht ein Freund erbot, sie zu stützen.
Es hing am seidenen Faden. Er hatte sie schärfer angetrieben, als er selbst es überhaupt für möglich gehalten hatte. Alle waren erschöpft und hungrig, und sie waren zornig. Doch sie würden einen Tag früher als gedacht das Schlachtfeld erreichen, und dies konnte alles ändern. Die Späher hatten berichtet, dass die Verteidigung noch hielt. Er betete, dass sie noch einen weiteren Tag halten würde. Hin und wieder trug der Wind den fernen Lärm herüber.
Er schritt seine Truppe ab, forderte ihre Treue und schürte ihren Zorn. Einige knurrten ihn an. Die meisten waren zu müde, um überhaupt zu reagieren. Manche besaßen sogar noch die Kraft zu lachen und zu scherzen. Dafür hätte er Davarov küssen können. Was er auch in seinem Innern empfand, der Mann legte eine unerschütterliche Loyalität an den Tag. Wo er marschierte, besserte sich die Moral. Ein paar Leute sangen sogar.
Heute schneite es stark, und der Wind biss ihnen in die Gesichter. Dies war der schlimmste Tag des Marsches, aber sie durften nicht aufgeben.
»Seid ihr heute wütend?«, fragte er sie, als er an der Truppe entlanglief. Er gab sich Mühe nicht zu humpeln und sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr die Blasen schmerzten. »Gut. Behaltet das in euren Herzen und lasst es brennen. Hasst ihr mich heute? Gut. Denkt an diesen Hass, wenn wir dort sind und ihr für mich kämpfen könnt. Aber das kommt erst morgen. Morgen ist der Tag, an dem wir auf die Tsardonier treffen und sie mit all unserem Hass und Zorn bekämpfen können.
Am Abend werden wir den Gestank ihrer Furcht riechen können, denn sie wissen, dass wir kommen. Die Konkordanz, die wir retten, wird für immer unser Loblied singen. Heute Nacht werdet ihr gesegnet schlafen, und morgen, wenn es dämmert, werdet ihr das Blut der Feinde vergießen. Sie werden erfahren, wie
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