Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann

Titel: Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay

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grellweißer Blitz erhellte die Nacht, und Arducius konnte einen Moment lang den schrecklichen Ozean mit seinen haushohen Wellen sehen.
    Die Entladung des Blitzes traf ihn, als hätte er eine Ohrfeige bekommen. Er wandte sich an Patonia. Ihre Köpfe berührten sich beinahe.
    »Was soll ich tun?«, schrie er. Der Wind riss ihm die Worte von den Lippen.
    »Du hast das Unwetter gespürt«, brüllte sie zurück. »Du sagst mir, wohin es zieht. Wann es an uns vorbei ist.« Sie hielt inne. »Sag mir, wohin ich das Schiff lenken soll.«
    Arducius wusste es bereits. »Du musst wenden und gegen den Sturm fahren. Der Wind wird noch schlimmer.«
    »Ich kann nicht wenden. Wenn wir quer zu den Wellen liegen, werden wir kentern. Ich muss ihm davonfahren.«
    Arducius schüttelte den Kopf. Er wusste nicht wie, aber er sah die Bilder im Kopf. »Wir werden sinken, wenn wir nicht gegen die Wellen steuern.«
    Sie starrte ihn an. »Dann sind wir verloren. Sieh dir den Seegang an. Wir können nicht wenden.«
    Er tastete nach der Kraft über und unter ihnen. Die außerordentlichen Energien der Natur fanden hier zusammen. In seinem Geist gab es eine Oase, in der sie zur Ruhe kommen konnten.
    »Warte mal. Hole die anderen her«, sagte er. Sie runzelte die Stirn. »Bitte, du musst mir vertrauen.«
    Das Schiff stürzte über einen Wellenkamm und donnerte ins nächste Wellental hinein, wobei es durch und durch erbebte. Holzsplitter flogen übers Deck – die Überreste eines zerschmetterten Ruders.
    »Was hast du schon zu verlieren?«
    Sie knirschte mit den Zähnen und nickte.
    Sie empfanden keine Furcht, als sie auf dem Achterdeck einander zugewandt niederknieten. Nervöse Matrosen umringten sie und sorgten dafür, dass sie nicht wegrutschten, während das Schiff gierte und rollte. Patonia stand an der Ruderpinne und sah ihnen zu. Arducius hatte beobachtet, wie sie stumme Gebete gesprochen und vor der Brust das Zeichen des Allwissenden gemacht hatte.
    Die Aufgestiegenen legten sich gegenseitig die Arme auf die Schultern, um einen Kreis zu bilden, und neigten die Köpfe einander zu, damit sie Arducius verstehen konnten.
    »Fühlt den Sturm. Achtet nicht auf die Kräfte im Wasser, von denen er sich nährt. Lasst ihn in euch eintreten. Leitet ihn durch euren Körper und in den Himmel zurück. Sagt mir, dass ihr es tun könnt.«
    Nacheinander gehorchten sie, bis Arducius vor seinem inneren Auge sah, wie sich der Kreis schloss. Über die Lebenslinien ihrer Körper miteinander verbunden, wurden sie eins mit dem Sturm.
    »Gorian, du wolltest doch immer mal wissen, wie es ist, einen Sturm zu rufen. Dann merke dir diese Nacht.«
    Für sie war es immer noch ein unerfüllbarer Traum, aus den spärlichen Energien von Wind und Sonne an einem wolkenlosen Tag eine solche Kraft zu erschaffen, aber das Wissen um die Macht des Sturms sagte Arducius und den anderen, dass sie eines Tages dazu in der Lage sein würden. Eines Tages wäre es möglich.
    »Glättet die Energien in eurem Geist«, sagte Arducius. »Breitet sie ein wenig aus.«
    Sofort stellte sich die gewünschte Wirkung ein. Die Aufgestiegenen veränderten den Kreislauf der Energie vor ihnen. Die zuckenden und ruckenden Spiralen und Ausläufer beruhigten sich in ihrem vereinten Bewusstsein und in ihren Körpern, als wollten sie Wolle zu einem Faden spinnen. Über ihnen erstarb der Wind, und der Regen prasselte nicht mehr so heftig herab. Am Rande bemerkte Arducius, dass die Matrosen erschrocken riefen und mit den Füßen scharrten.
    »Gut«, sagte er. »Jetzt schiebt die Energien weiter nach draußen. Benutzt die ungerichteten Kräfte, um eine ruhige Zone herzustellen, und unterbrecht nicht den Kreis. Vorsichtig. Wir haben nur einen einzigen Versuch.«
    Erst jetzt wurde ihm klar, wie weit sie sich seit Beginn ihrer Ausbildung und den paar Tagen seit ihrem Erwachen entwickelt hatten.
    An Geist und Körper waren sie viel stärker geworden, so viel besser fähig, die Energien in sich aufzunehmen und sie in größerem Maße als je zuvor zu beeinflussen.
    Gemeinsam erweiterten sie die ruhige Zone der geglätteten Energie in alle Richtungen; im Zentrum befand sich das Schiff. In ihren Köpfen war diese Zone ein ebener neutraler Kreis mit ausgefransten Rändern. Dahinter tobten die weißen und dunklen Flecken des Sturms.
    Auch direkt unter ihnen beruhigte sich das Meer. Nicht ganz und gar, weil die Wellen zu tief reichten, als dass sie sie mit ihren Kräften hätten steuern können. Über ihnen flaute der