Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
Feuer und nahm die Tasse entgegen.
»Danke«, sagte sie. »Willst du dich setzen?«
Menas lächelte. »Ja, sehr gern.«
Mirron rutschte auf dem Baumstamm ein wenig zur Seite und nippte an ihrem Getränk. Es war ein süßer Kräuteraufguss, der in der Eiseskälte hervorragend schmeckte.
»Wie lautet dein richtiger Name?«, wollte Mirron wissen.
»Den kennst du doch schon«, antwortete Menas.
»Nein, ich meine deinen Vornamen, den der Schatzkanzler nie ausspricht.«
Menas lachte. »Manchmal tut er es. Wenn er glaubt, niemand könnte es hören. Ich heiße Erith.«
»Schön, dich kennen zu lernen, Erith Menas.«
»Und du, Mirron?«
»Nun ja, es kommt darauf an«, erwiderte Mirron. »Meine Mutter ist Gwythen Terol, aber als Aufgestiegene heiße ich Westfallen. In dieser Hinsicht haben wir alle den gleichen Namen.«
Menas lächelte. »Welcher Name gefällt dir besser?«
»Westfallen«, sagte sie. »Das erinnert mich an die Heimat.«
Für den Fall, dass sie ihre Tränen nicht unterdrücken konnte, wandte Mirron sich vorsichtshalber ab. Menas schwieg dazu, beobachtete sie und legte ihr schließlich eine Hand auf die Schulter.
»Es scheint alles so weit weg zu sein, nicht wahr?«
»Jedes Mal, wenn ich die Augen öffne, kann ich gar nicht glauben, was ich sehe«, bestätigte Mirron. »Nur einen kleinen Augenblick lang. Das ist der schönste Moment des ganzen Tages. Der einzige Augenblick, in dem ich mir einreden kann, ich wäre noch daheim.«
Menas nahm Mirron, die fast in Tränen ausgebrochen wäre, in die Arme und drückte sie an sich.
»Es tut mir leid«, sagte Mirron. »Es tut mir leid.«
»Was denn?«, fragte Menas. »Ich wundere mich eher, dass es so lange gedauert hat. Lass es nur heraus.«
»Das ist nicht recht.« An Menas’ Mantel geschmiegt, klang Mirrons Stimme gedämpft. Ihr stieg der starke Geruch der Wolle in die Nase. »Ich sollte nicht hier sein. So sollte mein Leben doch nicht aussehen.«
»Sch-scht. Ich weiß. Es ist schwer, aber nicht einmal du hast die Macht, dein Schicksal selbst zu bestimmen. Das kann niemand.«
»Du kannst es«, sagte Mirron. »Du hast dich den Einnehmern angeschlossen und deinen Weg selbst gewählt.«
Mirron löste sich abrupt von ihr und rieb sich die Augen trocken. Menas strich ihr eine lose Haarsträhne hinters Ohr zurück.
»Glaubst du denn, ich hätte mich wirklich für einen eisigen Gebirgspass in Kark entschieden?«
»Nein«, lachte Mirron. »Ich verstehe schon.«
»Und die hier?« Menas deutet auf die Narben in ihrem Gesicht. »Auch für die habe ich mich nicht entschieden.«
»Wie ist das passiert?«
Menas lächelte humorlos. »Manche Leute wollen ihre Steuern nicht entrichten. Hör mal, Mirron …«
»Alles klar da drüben?«, mischte sich Gorian ein.
»Ja, danke«, antwortete Menas. »Es ist nichts, was du verstehen könntest. Frauensache.«
Sie blinzelte Mirron zu, die wieder lachte. »Für die Jungs ist es so einfach. Wie ein großes Abenteuer.«
»Ich glaube, ganz so einfach ist es nicht«, widersprach Menas. »Das wollen sie dir vormachen, aber im Dunkel der Nacht holen ihre Ängste sie ein. Lass dich nicht täuschen. Wenigstens kannst du zu deinen Gefühlen stehen.«
»Es nützt bloß nichts.«
»Glaub mir, es nützt etwas«, sagte Menas. »Sieh mal, Mirron, eine Frau hat es in der Wildnis schwer. Sogar eine Frau, die in der Legion dient. Die meisten Männer sind überheblich und halten dich für schwach. Deshalb musst du dich durchkämpfen und dich bewähren. Auch ohne Fähigkeiten, wie du sie hast, ist das möglich. Mir gelingt es mit meinem Bogen und dem Schwert und dank des Wappens, das ich trage. Aber es dauert lange, bis man sich die Anerkennung verdient.«
»Das ist nicht gerecht. Die Advokatin ist doch auch eine Frau.«
»Nein, es ist nicht gerecht, und ja, sie ist eine Frau. Allerdings fiel es ihr schwerer als jedem männlichen Advokaten, sich die Anerkennung zu verdienen, das kannst du mir glauben. Manche Männer denken, wir Frauen sollten grundsätzlich keine einflussreichen und verantwortungsvollen Posten übernehmen. Sie behaupten, wir könnten dem Druck nicht standhalten. Dabei vergessen sie bequemerweise, dass unzählige Männer unter dem Druck zerbrechen, und verweisen auf die wenigen Frauen, denen es ähnlich ergangen ist.
Nimm die Kanzlerin – sie kann wohl kaum als Vorbild für viele andere dienen.«
Darauf lief es Mirron kalt den Rücken hinunter.
»Entschuldige«, sagte Menas. »Ich hätte dich nicht daran
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