Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
Sentor getötet.«
»Das sagte er uns. Aber die Suche nach seiner Familie wird nicht erfolgreich sein. Die Tsardonier werden ihn schnappen.«
»Der arme Mann«, sagte Gorsal.
Nunan nickte und schritt zum Forum zurück, wo sich die Legion versammelte. An der Stadtgrenze war noch die Kavallerie unterwegs, während die tsardonischen Gefangenen ins Zentrum geschafft und eingesperrt wurden. Er hob das Schwert.
»Sieg!«
Das Gebrüll, das ihm antwortete, hielt lange an und klang eher nach Erleichterung denn nach Triumph. Nunan bat mit erhobenen Armen um Ruhe. Ein eigenartiges Gefühl durchflutete ihn. Fühlte sich so ein General nach der Schlacht? Er hatte noch nie zu so vielen Leuten gesprochen. Legionäre, Kavalleristen, Feinde, gewöhnliche Bürger.
»Einwohner von Gullford, ihr habt nun zu spüren bekommen, wie sich ein Bündnis mit Tsard auf euer Leben auswirkt. Ihr habt ihre Art von Diplomatie kennen gelernt – Brandstiftung, Entführung, Mord und Hinrichtung. Wer glaubt, unter tsardonischer Herrschaft besser leben zu können, die Grenze ist da hinten.«
Er deutete mit dem Daumen hinter sich. Seine Legionäre lachten und johlten.
»Dieses Land gehört zur Konkordanz. Kehrt in eure Häuser zurück, nehmt die Flaggen ab, die sie euch entrollen ließen, und erhebt die Waffen gegen den gemeinsamen Feind.« Er deutete auf die etwa vierzig Tsardonier, die zerzaust und geschlagen herumstanden. »Da seht ihr sie, eure so genannten Befreier. Männer, die Frauen als Schilde benutzen, um ihr eigenes erbärmliches Leben zu retten. Männer, die sich lieber hinter dem Rockschoß ihrer Mutter verstecken, als sich mutig dem Feind zu stellen.
Tsardonier, ihr habt die Einwohner dieser Stadt systematisch dezimiert. Das Gleiche soll auch euch geschehen. Wir überantworten euch der Gnade der Einwohner. Doch ich werde beten, dass sie euch keine Gnade erweisen werden, während wir weitermarschieren, um eure Heere zu vernichten. Rächer, bereitet euch auf den Abmarsch vor.«
Beschützt von dreißig seiner Extraordinarii ritt Roberto durch das Haupttor hinaus. Hinter ihm wurden Schmähungen laut, die denjenigen galten, die sich vor den Toren und von Elises Kavallerie umringt versammelt hatten. Es waren Schmähungen und Drohungen, die zu unterbinden Roberto nicht die geringste Lust hatte. Jeder Einzelne, der sein Heer verließ, versetzte ihm einen Stich. Aber unter den beinahe siebenhundert – siebenhundert!’ –, die sich entschlossen hatten, heimzukehren und in Atreska zu kämpfen, war keiner, dessen Abschied ihn so schmerzte wie der von Goran Shakarov.
Der ehemalige Schwertmeister der Fünfzehnten Ala, der Pfeile Gottes, stand bei den anderen. Er hatte sein Schwert und seine Rüstung abgeben müssen und alle Rechte als Soldat der Konkordanz verloren. Roberto konnte es immer noch nicht fassen. Die Atreskaner nahmen Haltung an und formierten sich, als er sich näherte. Shakarov stand an ihrer Spitze. Hinter Roberto ebbten auf den überfüllten Wehrgängen die höhnischen Rufe allmählich ab, da alle die Ohren spitzten und hören wollten, was ihr General zu sagen hatte.
»In dem, was ihr tut, ist keine Ehre«, sagte er. »Und eine Dummheit ist es obendrein. Keiner von euch hat über die Zukunft nachgedacht, und jetzt hat keiner von euch mehr eine Zukunft. Glaubt ihr wirklich, ihr könnt eure Heime und Familien beschützen? Das könnt ihr nicht. Ihr werdet nur den Aufstand weiter anstacheln, ob ihr es wollt oder nicht.
Die Tatsache, dass ich euch nicht als Deserteure bezeichne, ist ein Geschenk, das ich euch nur gewährt habe, weil ihr mir alle in der Schlacht treu gedient habt. Eure Entscheidung lässt jedoch einen Mangel an Glauben an die Konkordanz erkennen, den ich weder vergessen noch verzeihen kann.
Denen unter euch, die sich darüber freuen, in ein unabhängiges Atreska zurückzukehren, wünsche ich nichts als den Tod durch die Hände der treuen Anhänger der Konkordanz. Den anderen, die allein vor ihren Häusern stehen werden und die Welle der Tsardonier aufhalten wollen, die vor der Säuberung durch die Konkordanz über euch hereinbrechen wird, kann ich eines sagen. Aus den Mythen und Legenden alter Königreiche und Imperien sind viele Weisheiten überliefert, die auch heute noch gültig sind. Eine davon passt hier besonders gut: Die Mutter eines Feiglings wird keine Tränen vergießen.
Ich hoffe, ihr werdet von euren Familien ausgestoßen, wie ich euch jetzt verstoße. Falls ihr sterbt, dann wird es mich nicht
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