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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Kerker und auch der Schlüssel für die Fluchttür. Er musste nur den passenden finden. Derjenige, auf dem sich der Ruß der Fackeln abgelagert hatte, weil er am wenigsten in Gebrauch war, sollte der richtige sein.
    Von den Folterknechten war niemand zu sehen, nur aus den Kerkern drangen Stöhnen und Gebete, aber auch Kinderstimmen. Wenn Volkhardt genau hinhörte, meinte er, die Stimme von Jörg zu erkennen – eines Jungen, der zu den Schwarzen Banden gehörte und einer der Ersten gewesen war, der sich auf Lorentz’ Seite geschlagen hatte.
    Am glatten Schaft des Haselnussastes glitt der Schlüssel mühelos zu ihm herüber. Aber dann öffnete sich plötzlich die Tür zum Kerkergang.
     
    Die schmächtige Kathi auf den Nagelstuhl zu setzen hatte keinen Zweck gehabt. Er war viel zu groß für den kleinen Körper. Ebenso wenig waren die Daumen- und Beinschrauben zum Einsatz gekommen. Ursulas Knochen und Gelenke waren schlicht zu dünn und wären bei der ersten Belastung gebrochen. Das Aufziehen hätte schon eher die gewünschte Wirkung erzielt, doch Faltermayer war sich nach dem Vorfall mit Felicitas nicht mehr sicher, ob seine ungeschickten Gehilfen einen zerbrechlichen Körper behandeln konnten, wie er es wünschte. Hätte er nur die Gerätschaften und die erfahrenen Knechte aus dem Hohenlohischen zur Verfügung gehabt! Die Folterinstrumente waren eigens für Kinder entworfen und gebaut worden, talentierte Peiniger waren nach kurzer Zeit imstande, angemessen mit ihnen umzugehen. Würzburg hatte in dieser Hinsicht noch einiges nachzuholen.
    Bis dahin würde er mit der Androhung einen letzten Versuch unternehmen. «Du weißt, was mit dir passiert, wenn du nicht endlich gestehst?»
    Neben ihm saß der Malefizschreiber, nicht weniger ratlos als sein Hexenkommissar. Den fein säuberlich ausgearbeiteten Fragenkatalog für erwachsene Hexen würde er bei einem Kind kaum anwenden können. Oder sollte eine Zehnjährige schon umfangreiche Erfahrungen im Buhlen mit einem ausgewachsenen Teufel haben? Ungehalten legte er den Federkiel zur Seite und wartete ab, ob das Kind auf die Forderung des Hexenkommissars einging.
    Kathi war sich des Ernstes der Lage bewusst. Ein Knecht war zu ihr in den Kerker gekommen und hatte mit einem Messer ihre langen braunen Haare abgeschnitten. Danach hatte er ihre Kopfhaut nach Teufelsmalen untersucht. Ergebnislos, wie sich zeigte. Schließlich, und das war der letzte Schritt in der Vorbereitung auf die Folter, hatte sie ihr Büßerhemd abzustreifen, damit der Knecht auch dort nach auffälligen Merkmalen suchen konnte. Sie zitterte wie Espenlaub, während die lüsternen Blicke des Kerls über ihren schmalen Leib wanderten. Ein anderer war so lange an der Kerkertür gestanden und hatte beobachtet, ob sie bei ihren Untersuchungen gestört wurden. Nach dem Vorfall mit Felicitas hatte Faltermayer angedroht, jeden zu bestrafen, der gegen seine Anordnungen verstieß.
    Diese Behandlung wusste Kathi anfänglich nicht zu schätzen, später aber, als sie nackt vor zwei groben Kerlen gestanden war, hatte sie zu Gott gefleht, dass die Angst der Folterknechte vor Bestrafung größer war als ihre Lust auf ein jungfräuliches Kind.
    Ein Dritter, der sich offenbar nicht gut mit den anderen beiden stand, hatte sie unwissentlich gerettet. Er kam im rechten Moment die Stufen herunter und ging in die gegenüberliegende Zelle, wo er den toten Körper Felicitas’ vom schlimmsten Schmutz und von dem angetrockneten Blut zu befreien hatte. Faltermayer hatte es so angeordnet. Felicitas sollte am morgigen Brandtag keinen Anlass zur Unruhe geben, wenn ihr Körper auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.
    Den gierigen Fingern der Knechte war Kathi dadurch vorerst entkommen. Doch nun trachtete Faltermayer nach ihrem Leben. Wenn sie gestand, was er von ihr verlangte, war sie eine Hexe. Die Folter würde ihr damit erspart bleiben.
    «Es gibt keine Hexe Babette», antwortete sie trotzdem. «Weder ich noch irgendwer sonst sind je auf dem Schalksberg gewesen. Es war alles Lüge …»
    «Genug!»
    Faltermayer war nicht gewillt, sich länger von diesem störrischen Kind an der Nase herumführen zu lassen. Er nahm dem Folterknecht die Rute aus der Hand und hielt sie Kathi vors Gesicht.
    «Du weißt, was dir damit blüht.»
    Da war sie wieder, die vertraute Geißel, mit der ungehörige Kinder zur Ordnung und zur Aufgabe ihres Selbst gebracht werden sollten. Sie dachte für einen Moment an Apotheker Grein, seine falschen Schwüre und

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