Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
Vom Netzwerk:
gerufen.»
    «Mein Kind», antwortete Ludwig, «du bist für mich wie ein verlorener Sohn. Ich werde dich nicht aufgeben, selbst wenn du dich von deinem Herrn und Schöpfer abgewendet hast. Ich bin gekommen, um mit euch zu beten.»
    «Deine Gebete brauchen wir nicht. Scher dich fort.»
    Hätte Ludwig nur seine Rute dabeigehabt, dann hätte er diesem kleinen Teufel Manieren beigebracht. So aber mussten ein Stück Brot und Käse, die er unter seiner Kutte versteckt hatte, die Überzeugungsarbeit leisten.
    «Hier, nehmt», sagte er. «Lasst es euch schmecken, und danach wollen wir sehen, ob ihr nicht doch ein Wort mit mir wechseln wollt.»
    Als die Kinder das Brot und den Käse sahen, war es mit ihrer abweisenden Haltung schnell vorbei. Alle kamen sie und nahmen sich ein Stück – der Anführer genauso wie der Schwächste unter ihnen, der Junge mit dem schüchternen Blick. Da wusste Ludwig, wo er anzusetzen hatte.
     
    Volkhardt öffnete vorsichtig das Fluchtgitter. Das Knirschen der verrosteten Angeln könnte sie schneller hinter Schloss und Riegel bringen, als es ihnen lieb war.
    «Leise», sagte er mit Verweis auf die offenstehende Kerkertür. «Ich werde die Folterknechte im Auge behalten. Schaut ihr in die Zellen.»
    Christian nickte. Er nahm sich die rechte Reihe vor, Helene die linke. In den dunklen Zellen war nicht viel zu erkennen. Nur die Fackeln warfen etwas Licht durch das schmale Guckloch. Das war zu wenig, um die Gesuchten schnell zu finden.
    «Kathi», flüsterte Helene in die Zellen hinein.
    Christian tat es ihr gleich. «Felicitas, wo bist du?»
    Doch niemand antwortete. Erst als Christian auf einen Körper stieß, der mit einem schmutzigen Tuch notdürftig verdeckt war, hielt er inne. Eine Hand schaute darunter hervor, und wenn er etwas sicher erkannte, dann waren es die schmalen, gepflegten Hände seiner Felicitas. Noch bevor er auf die Knie ging, um das Leichentuch zu entfernen, ahnte er, was er gleich zu sehen bekommen würde. Es war ein Moment des Wissens, auch wenn man das Ergebnis noch nicht kannte.
    Er hatte sich in den vergangenen Tagen oft gefragt, welcher Schmerz über ihn kommen würde, wenn das Schlimmste auf Erden sich als wahr herausstellte. Grenzenloser Zorn war ein Gefühl, brodelnde Rache ein anderes. Doch jetzt, als es so weit war, spürte er nichts anderes als Leere.
    Helene trieb ein anderes Gefühl um. Sie hatte alle Zellen auf ihrer Seite eingesehen und immer wieder Kathis Namen geflüstert. Doch nirgends war sie zu finden.
    «Könnte sie woanders untergebracht sein?», fragte sie Volkhardt.
    «Schon möglich. Das Spital ist groß und …»
    Da hörten sie ein Weinen und ein Schluchzen. Es kam aus einer der Zellen, in denen Christian verschwunden war. Gemeinsam eilten sie dorthin und fanden ihn auf dem Boden kniend vor. Er war über etwas gebeugt, das von einem Tuch bedeckt war. Erst als Helene näher kam, erkannte sie einen toten Körper. Allem Anschein nach war es Felicitas, seine Frau.
    «Schaut, was sie ihr angetan haben», sagte Christian und legte die vielen Verletzungen offen, die seine Frau während der Folter über sich hatte ergehen lassen müssen.
    Im ersten Moment nahm Helene vor Schreck die Hand vor den Mund, dann kniete sie sich zu Christian, nahm ihn in den Arm und tröstete ihn. Ihr zweiter Gedanke gehörte Kathi. Panik stieg in ihr auf.
    Volkhardt stand an der Tür, unschlüssig, ob er Christian ermahnen sollte, leiser zu sein. Jeden Augenblick konnte ein Knecht auf sie aufmerksam werden. Doch er brachte es nicht übers Herz, dem Stadtrat die Trauer über sein Weib zu nehmen. So schloss er kurzerhand die Kerkertür.
    Zwei Zellen weiter wurden Stimmen laut. Pfarrer Ludwig hatte sich mit Brot und Käse bei den Kindern eingeschmeichelt. Er versprach ihnen mehr, wenn er morgen wiederkommen würde. Bis dahin sollten sie über ihren Pakt mit dem Teufel sprechen, wie sie ihm vorgestellt wurden und, vor allem, wie sie die Gabe erlangten, Hexen zu erkennen.
    «Wieso wollt Ihr das wissen», fragte Jörg, der Älteste und der Anführer. Sein Misstrauen gegenüber dem Pfarrer war trotz der Gaben geblieben.
    «Ihr seid nicht die Einzigen», antwortete Ludwig, «die von sich behaupten, zwischen einem frommen Weib und einem verdorbenen Hexenweib unterscheiden zu können. Wie kann ich sicher sein, dass ihr die Wahrheit sprecht?»
    Jörg ahnte, worauf er hinauswollte. Er kannte die Dirne Grit und wusste, dass sie Ludwigs Favoritin war. Sie sollte diejenige sein, die als Einzige

Weitere Kostenlose Bücher