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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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von der Natur geschaffener Hohlraum befand. Hier hatten sie sich versammelt, doch nicht hundert, wie Volkhardt befürchtet hatte, sondern nur zwanzig oder dreißig. Die anderen mussten sich irgendwo anders versteckt halten. Volkhardt atmete auf. Das würde die Sache einfacher machen.
    In der Mitte brannte ein Feuer, darüber steckte ein Tier an einem Spieß. Volkhardt konnte nicht sagen, um was es sich handelte – Katze, Hund oder Fuchs –, bei den hungrigen Gesichtern der Kinder spielte das auch keine Rolle. Hauptsache, ein warmes Essen.
    Als sie in den Hohlraum traten, schreckten die Kinder auf und griffen zu ihren Waffen – Prügel, Steine, Schleudern und selbstgefertigte Spieße.
    «Wir sind es», sagte der Junge mit den schüchternen Augen.
    Es dauerte einen Moment, bis die Kinder sie erkannten. Es hatte niemand mehr mit ihnen gerechnet, und als klarwurde, dass die fünf aus dem Kerker freigekommen waren, wurden sie stürmisch willkommen geheißen.
    Volkhardt hielt sich währenddessen im Hintergrund auf. Mit der Hand an seinem Gürtel, wo das Messer befestigt war, suchte er nach Lorentz. Unter diesen Kindern waren viele, die er nicht kannte. Sie mussten erst in den letzten Tagen dazugestoßen sein. Sie sahen keinen Deut besser aus als seine ehemaligen Schwarzen Banden, heruntergekommen, ausgehungert und verzweifelt. Er hatte bis dahin keine Vorstellung gehabt, dass so viele Kinder aus anderen Dörfern das gleiche Schicksal mit den Stadtkindern teilten. Die Hoffnung, in der Stadt ein besseres Leben zu haben, hatte offenbar viele hierhergeführt.
    «Er hat uns befreit», sagte derselbe Junge und zeigte auf Volkhardt. Und an ihn gewandt: «Hab keine Angst. Du hast nichts zu befürchten.»
    Volkhardt trat aus dem Dunkel. Sein Blick suchte Lorentz, konnte ihn aber nicht finden.
    «Wenn er nicht gewesen wäre», fuhr der Junge fort, «würden wir noch in den Kerkern verfaulen.»
    Einige kamen auf ihn zu und klopften ihm anerkennend auf die Schulter. «Komm, iss mit uns. Wer ein Freund von Caspar ist, ist auch unser Freund.»
    So ließ sich Volkhardt am Feuer nieder und aß gemeinsam mit ihnen. Während der schüchterne Caspar von ihrer Befreiung berichtete, verdunkelten sich die Züge der Kinder.
    Irgendetwas stimmte hier nicht.
    «Mir scheint», sagte Volkhardt, «ihr traut den Worten eures Freundes nicht. Täuscht euch nicht. Er sagt die Wahrheit.»
    Da erhob sich ein Mädchen in verschlissenen Kleidern und rußigem Gesicht. Sie war älter als die anderen, körperlich stärker und, wie es schien, auch nicht auf den Mund gefallen. Am Gürtel führte sie einen Dolch mit sich, wie die Landsknechte ihn trugen.
    «Wir glauben Caspar», sagte sie, «und das macht es schwierig. Denn Lorentz hat uns etwas anderes berichtet.»
    Das Mädchen hieß Hedwig und stammte aus Gerolzhofen, dem Ort, an dem die schrecklichsten Brände im Land abgehalten wurden. Als sie von den Entführungen der Kinder durch die Hexe Babette erfahren hatte, war sie wie viele andere nach Würzburg gekommen. Auf dem Weg hatten sich ihr weitere Kinder angeschlossen, darunter auch Caspar, um zu sehen, wer diese seltsamen Kinder waren, die Erwachsene vor den Hexenkommissar bringen konnten.
    «Wir hatten uns vor drei Nächten alle hier versammelt», sagte sie, «um Caspar und die anderen aus dem Juliusspital zu befreien. Doch dann kam Lorentz und erzählte, dass sie bereits unter der Folter gestorben seien. Wir könnten uns die Mühe sparen.»
    «Wieso hat er das wohl gesagt?», fragte Volkhardt. Er kannte die Antwort.
    Nach einigem Grübeln bestätigte Hedwig seinen Verdacht. «Er wollte nicht, dass wir ohne sein Zutun losschlagen. Irgendwie ist er verrückt. Er glaubt, er sei ein König, dieser Zwerg, der allen befehlen kann. Ich mochte ihn bisher nicht sonderlich, aber jetzt hat er es sich mit mir verdorben.»
    Die Kinder nickten zustimmend. Auch sie fühlten sich von Lorentz betrogen.
    «Was hast du nun vor?», fragte Volkhardt.
    «Ich werde dieser kleinen Kröte zeigen, was es heißt, einen Freund im Stich zu lassen. Morgen …»
    «Warum so lange warten», rief jemand dazwischen. «Ich bin hier, wenn du dich traust.»
    Alle blickten zum Eingang. Dort stand Lorentz, und durch die Felsspalte drängten seine Soldaten nach.
     
    Auf der Straße am Fuße des Frauenbergs, von Höchberg her, kam ein Reiter im strengen Galopp. Sein schwarzer Umhang flatterte im Wind. Der Hengst hatte vor Erschöpfung weißen Schaum vorm Maul und drohte

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