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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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dafür zur Rechenschaft ziehen.
    «Verschwindet», befahl er Volkhardt, «ich werde den Folterknecht so lange aufhalten.»
    «Und Jörg?»
    «Er steht unter meinem Schutz. Es wird ihm nichts geschehen.»
    Volkhardt sah in seine Augen und wusste, dass er log. Aber dafür war jetzt keine Zeit mehr. Er hastete mit den anderen Kindern auf den Gang.
    «Dort ist der Tunnel. Beeilt euch.»
    Einer nach dem anderen verschwand in dem düsteren Gang.
    Volkhardt stürzte in die Zelle, in der die tote Felicitas lag. Er sah Helene, die Christian noch immer im Arm hielt und tröstete. «Der Folterknecht kehrt zurück. Wir müssen verschwinden. Jetzt, sofort.»
    Helene blickte stumm auf. Solange sie nicht wusste, wie es um ihre Kathi bestellt war, wollte sie nicht fliehen.
    «Ihr könnt ihr nicht helfen, wenn Ihr im Kerker gefangen seid», versuchte Volkhardt sie anzutreiben.
    Doch Helene war kraftlos. «Geh nur, ich werde hier auf meine Kathi warten.»
    Das würde Volkhardt nicht zulassen. Er packte sie an der Hand und zerrte sie hoch. «Seid nicht dumm. Kathi würde das nicht wollen. Sie braucht Euch frei und nicht gefangen.»
    Er schob sie auf den Gang hinaus. Aber da war noch Christian. «Kommt», schrie er ihn an, «Ihr könnt nichts mehr für sie tun.»
    Christian hörte ihn nicht.
    Eine schwere Kerkertür öffnete sich, und ein Geschrei begann. Bevor sich Volkhardt in den Tunnel retten konnte, sah er Ludwig, wie er Jörg am Kragen gepackt hielt und auf den Folterknecht einredete.
    «Schlagt Alarm. Die Bande will flüchten. Den hier konnte ich noch festhalten.»

[zur Inhaltsübersicht]
    32
    Der Schlag traf Kathi unvermittelt ins Gesicht. Sie stürzte zur Seite und schlug mit dem Kopf auf dem harten Steinboden auf. Die Schreie der anderen Angeklagten und ihr Flehen um Gnade verstummten. Ein hohes, klirrendes Pfeifen bohrte sich durch ihren Kopf, von einem Ohr zum anderen. Blut lief ihr aus Nase und Mund, zog sich in dünnen, nicht enden wollenden Speichelfäden dahin.
    Vorbei an den schwarzen Stiefeln Faltermayers blickte sie durch die offenstehende Tür in die angrenzende Kammer. Dort kniete, vornübergebeugt und die Hände auf den nackten Rücken gefesselt, Apotheker Grein. Neben ihm stand verschwitzt und mit rotem Gesicht ein Folterknecht. Er schnaufte wegen der Anstrengung, ließ aber in der Züchtigung nicht nach und erhob die dornendurchsetzte Peitsche ein weiteres Mal.
    Pater noster, qui es in caelis …
    Kathi konnte die Erinnerung an die grausamen Unterweisungen im Grein’schen Haus und an die gottesfürchtigen Belehrungen ihres Meisters nicht festhalten. Stattdessen dachte sie an Henriette und auch an Lene und Lotti. Was hätten sie empfunden, hätten sie den Vater und Ehemann so gesehen? Genugtuung, Freude oder vielleicht doch Trauer?
    Eine Antwort blieb sie sich schuldig. Der Folterknecht war noch lange nicht mit ihr fertig. Er packte sie am Arm und setzte sie zurück auf den Stuhl. Für einen Moment sah sie den Malefizschreiber vor sich sitzen, der gelangweilt die immer gleichen Fragen stellte.
    Wann hat sie mit dem Teufel zuletzt gebuhlt?
    Welche Stellung hat sie dabei eingenommen?
    Hat es ihr Freude bereitet?
    Hat es auch dem Teufel gefallen?
    Wie ist sein Geschlechtsteil beschaffen?
    Eine Frage nach der anderen musste der Malefizschreiber als unbeantwortet abhaken.
    Kathi ließ den Kopf erschöpft nach vorne kippen. Sie sah ihre schmutzigen und blutigen Füße. Schief standen die Zehen, gebrochen und aus den Gelenken gerissen. Wenn sie noch länger durchhielt, würde sie heute noch auf die Leiter gebunden werden. Eine Heilsalbe nach altem Rezept herzustellen wäre sie mit gebrochenen Armen dann nicht mehr in der Lage.
    All die Mühen, die Apotheker Grein auf ihre Ausbildung und den sorgsamen Umgang mit den Gaben der Natur verwendet hatte, würden damit umsonst gewesen sein.
    Welch eine Verschwendung.
    Jemand brüllte einen Befehl. Kathi hörte etwas, konnte es aber nicht verstehen.
    «Hier, direkt vor sie hin.»
    Sie öffnete die Augen. Da lag ein Mädchen zu ihren Füßen. Auch ihr hatten sie den Kopf geschoren. Die dünnen Beinchen waren geschunden, die kleinen Finger gebrochen. Auf ihrem Büßerhemd klebte Blut, zum Teil altes, daneben auch frisches. Dem Kind fehlte ein Ohr, und das schon länger. Früher mochten die langen Haare das kleine Loch an ihrem Schädel verdeckt haben, nun aber war es deutlich zu sehen.
    Die schwarzen Stiefel Faltermayers kamen ins Bild. Darauf folgte ein Stock, der dem Kind

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