Die Kinderhexe
denn schon wieder!», fuhr Dürr ihn an.
«Wie kam das Mädchen zu dem Raben?»
«Herrgott noch mal, wenn Ihr fünf Minuten früher gekommen wärt, dann bräuchtet Ihr die Frage nicht zu stellen.»
«Verzeiht meine Unachtsamkeit.»
Dürr seufzte aufgebracht. «Zum letzten Mal.» Dann sah er wieder zu Kathi. «Wieso hast du …»
«Meister Dürr, wie kam das Kind nun zu dem Raben?»
«Genug!», fuhr Dürr ihn an. «Ihr verschwindet jetzt aus meinem Gerichtssaal. Habt Ihr das verstanden?»
Dornbusch antwortete nun selbstbewusst: «Aber das ist nicht Euer Gerichtssaal. Jeder Kasus hat seinen eigenen Ort, an dem er verhandelt wird. Eurer ist in der Kanzlei des Bischofs.» Er wandte sich an den Schultheißen. «Habe ich nicht recht?»
Weigand war nicht wohl zumute. Wenn er wahrheitsgemäß antwortete, würde er Dürr düpieren. Andererseits hatte Dornbusch recht. Er war es, der hier zu Gericht saß, und nicht der Hexenkommissar.
«Es ist so, wie der Stadtrat Dornbusch sagt», antwortete Weigand zögernd. «Wir verhandeln hier den Widerstand und den Angriff auf einen Stadtknecht. Nicht eine Anklage auf Hexerei.»
Widerspruch war das Letzte, womit Dürr gerechnet hatte. Und erst recht nicht, dass er von einem nichtsnutzigen Schultheißen gemaßregelt wurde.
«Überlegt Euch gut, was Ihr da sagt», drohte Dürr.
«Recht muss Recht bleiben», erwiderte Dornbusch. «Das war das Erste, was ich an der Universität gelernt habe, die – nebenbei bemerkt – auch die Eure ist. Ihr wollt doch nicht gegen den obersten Grundsatz der Juristerei sprechen?»
Dürr rang um Fassung. Mit diesem neunmalklugen Advokaten wusste er nicht umzugehen. «Das ist noch nicht vorbei», zischte er Dornbusch an. «Wir werden uns wiedersehen. Früher, als Euch lieb sein kann.»
Damit schob er die Kinder beiseite und verließ mit wehender Robe den Gerichtssaal.
Zurück blieben staunende Stadtknechte und ein nervöser Schultheiß. «Herrgott, was habt Ihr mir da nur eingebrockt?»
Dornbusch antwortete nicht. Er nahm Dürrs Drohung ernst. Zukünftig würde er auf jedes Wort und jeden Schritt achtgeben müssen.
Ganz andere Gefühle trieben Grit um. Sie hatte staunend die Abkanzlung des mächtigen Hexenkommissars durch Christian Dornbusch miterlebt. Niemand hatte so etwas bisher gewagt. Niemand außer diesem jungen Stadtrat, für den ihre Gefühle damit nur noch heftiger wurden. Am liebsten hätte sie sich ihm auf der Stelle an den Hals geworfen.
Unerwartet trat Babette vor ihn. «Habt Dank, Herr, für Euren Mut und Euer Wort. Ich fürchte nur, dass Ihr Euch keinen Gefallen damit getan habt.»
Auch Kathi fiel ein Stein vom Herzen. Nicht auszudenken, wenn wegen ihr Babette etwas zugestoßen wäre. «Vielen, vielen Dank.»
Dornbusch nickte, um sich gleich Weigand zuzuwenden. Noch war die Anklage nicht vom Tisch. «Nun, weiser Schultheiß, wie lautet Euer Urteil?»
Der war mit dem Verlauf der Verhandlung und was sich daraus ergeben konnte, alles andere als zufrieden. «Wie hatte ich mich auf diesen Tag gefreut, und jetzt das.» Er wies die Stadtknechte an, Babette und die Kinder gehen zu lassen. Er wollte kein Wort mehr über diese vermaledeite Angelegenheit hören.
Murrend kamen sie seinem Befehl nach.
Draußen vor dem Tor des Rathauses verabschiedete sich Babette von den Kindern. «Nehmt den Honig und das Mus. Esst aber nicht alles auf einmal und haltet euch von den Stadtknechten und dem Hexenkommissar fern. Wollt ihr mir das versprechen?»
Die Kinder versprachen es.
«Wohin gehst du jetzt?», wollte Kathi wissen.
«Ich gehe schnellstens zurück in meine Hütte», antwortete Babette. «Das Stadtleben ist nichts mehr für mich.»
«Dürfen wir dich besuchen?»
«Ja, sicher. Wann immer ihr wollt.»
Sie gab jedem noch einen Kuss, bevor sie sich auf den Weg machte.
Unversehens standen nach wenigen Schritten zwei Kerle vor ihr. Sie trugen das bischöfliche Wappen auf der Uniform.
«Bist du die Amme Babette?», herrschte der eine sie an.
Sie bestätigte es.
«Mitkommen, auf Befehl des Bischofs.»
Babette seufzte. Sie hatte nicht gedacht, dass der Hexenkommissar seine Drohung so schnell wahr machen würde.
Mutlos gab sie sich ihrem Schicksal hin, während Kathi sich in die Arme der Landsknechte warf und sie um Gnade anbettelte. «Ich flehe Euch an, lasst sie gehen. Es war alles meine Schuld.»
Ein Landsknecht schüttelte sie ab. «Verschwinde, bevor du das Hexenweib in die Folterkammer begleitest.»
Sie stürzte zu Boden und
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