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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Weigand zur Probe an. Der jedoch wies es angeekelt zurück.
    «Weg damit. Ich will nichts damit zu tun haben.»
    «Aber das ist guter Honig, Herr. Er schmeckt süß und hält gesund.»
    Unaufgefordert trat Kathi näher. Sie steckte einen Finger hinein und führte ihn zum Mund.
    «Seht Ihr, es ist nichts Schlimmes daran.»
    «Wieso wolltest du dann nicht, dass man dich überprüft?», fragte Weigand.
    Der Stadtknecht kam Babette zuvor. «Die Alte hat sich gar nicht gewehrt, Herr. Es waren die Kinder, die sich mir in den Weg stellten.»
    Wie konnten drei Kinder einem erwachsenen Mann gefährlich werden? Weigand schüttelte verwundert den Kopf.
    «Und wer bist du?», fragte er über die Köpfe hinweg Grit, die sich hinter allen aufhielt. Nun erkannte Dürr sie. Was hatte dieses freche Weibsstück hier verloren?
    Grit nannte ihren Namen und sagte, wo sie arbeitete. «Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun. Ich stand nur zufällig in der Nähe.»
    «Sie hat aber alles beobachtet», fügte der verletzte Stadtknecht hinzu. «Sie hat gesehen, wie der Teufelsbraten auf mich eingestochen hat.»
    «Du da», sagte Weigand und deutete auf Otto, «stimmt das, was der Stadtknecht dir vorwirft?»
    Otto nickte. «Ja, aber nur, weil wir glaubten, dass er uns den Honig und das Mus wegnehmen wollte.»
    «Wo ist dein Messer?»
    «Ich habe keines», antwortete Otto und zog den Nagel aus der Tasche. «Das hier hab ich benutzt.»
    Ein Kind mit einem Nagel und ein jämmerlicher Stadtknecht. Das war also die ganze Sache.
    «Stimmt das?», fragte er Grit.
    «Ja, Euer Ehren.»
    Weigand seufzte. Bevor er das Urteil sprach und jedem der Kinder zehn Stockhiebe zusprach – dem Schandbild eines Stadtknechts aber dreißig –, blickte er hinüber zu Dürr. Der hatte sich die ganze Zeit über im Hintergrund gehalten und die Befragung aufmerksam verfolgt.
    «Wollt Ihr noch etwas wissen?»
    Dürr nickte. «Eine Frage noch, werter Schultheiß, und dann soll es genug sein.»
    Mit der Verschlagenheit eines Hexenjägers kam er näher und schritt um Babette und die Kinder herum, als kreiste er sie ein. Dabei roch er mehrmals an der alten Amme und erinnerte sich der Worte der kleinen Johanna:
Ich kann das Eisenkraut riechen, das Donnerkraut und Frauenhaar, den Löwenzahn, das Silberblatt und das Bingelkraut …
Daran wollte Johanna die alte Holle immer erkennen, gleich in welche Person oder in welches Tier sie sich verwandelt hatte.
    «Sag, wie heißt du, altes Weib?»
    «Babette ist mein Name», antwortete sie.
    «Du behauptest, den Honig und das Pflaumenmus selbst hergestellt zu haben. Richtig?»
    Babette nickte.
    «Hast du die Kräuter in deinem Korb dazu verwendet?»
    «Einige, ja.»
    «Was sind das für Kräuter?»
    «Kamille, Thymian, Ehrenpreis und Nachtschatten, es sind heilende Kräuter, wie sie schon die heilige Hildegard zur Behandlung Kranker benutzt hat.»
    Dieses alte Weib war nicht die Einzige, die sich auf die heilende Wirkung dieser Kräuter berief. Dürr hatte in den vergangenen Jahren viel darüber erfahren, meist aus dem Munde von Frauen, die später auf dem Scheiterhaufen landeten.
    «Sag, wobei wendest du den Nachtschatten an?»
    «Er hilft bei Magen- und Blasenleiden, auch bei Husten ist er empfehlenswert.»
    «Was noch?»
    «Als Salbe wird er bei starkem Jucken verwendet, er hilft gar bei Afterleiden und eitrigen Abszessen.»
    «Was noch?»
    Babette zögerte. «Genügt das nicht, gnädiger Herr?»
    Dürr bestand auf einer Antwort. «Wozu kann man den Nachtschatten noch verwenden?»
    Sie ahnte, worauf der Hexenkommissar hinauswollte. Das war ein Pfad ohne Wiederkehr.
    «Ich denke, Ihr wisst es.»
    Dürr nahm dem Stadtknecht den Korb aus der Hand und schüttete den Inhalt Babette vor die Füße. Die schwarzen Beeren des Nachtschattens lagen obenauf.
    «Beinhalten diese Beeren nicht ein Gift, das Alt wie Jung qualvoll sterben lässt?»
    «Nur die unreifen Beeren», schränkte Babette ein. «Reif können sie gegessen werden.»
    «Was ist mit den Blättern?»
    «Sie schmecken wie Spinat, wenn sie mit Bedacht zubereitet werden …»
    «… und wieso stirbt das Vieh daran?»
    «Weil sie die unreifen Früchte essen, Herr. Gift kann auch Medizin sein, wenn es richtig angewandt wird. Das ist altbekannt.»
    Dürr wusste das und nickte zustimmend. Er musste sie anders kriegen. Er wusste auch schon, wie. Der Scheiterhaufen, auf dem die kleine Johanna verbrannt worden war, lag ganz in der Nähe des Mains – dort, wo sie ihren Geschäften

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