Die Kinderhexe
engste Mitarbeiter des Hexenkommissars Dürr.
Er reichte ihr den erwärmten Krug mit Bier.
Kathi griff zu und nahm einen tiefen Schluck. Das warme Gebräu lief ihr weich die Kehle hinunter, und schon bald verspürte sie ein angenehmes Kribbeln in Bauch und Kopf.
«Langsam», sagte der Malefizschreiber. «Es ist genug da.»
Aber Kathi fror und leerte den Humpen bis zur Hälfte.
«Nun sprich, was hat der Teufel dir angetan?»
Die vorbereiteten Worte lagen Kathi schwer auf der Zunge. Ihre Sinne schienen sich zu drehen wie das Bier in ihrem Bauch. Es war ein schönes, befremdendes Gefühl. Es flutete ihren Körper wie ein warmer Sommertag nach einem langen Winter. Noch nie zuvor hatte sie Bier getrunken, und jetzt gleich so viel davon. Irgendwie wollten sich nun die Worte nicht mehr so fügen, wie sie es sich ausgedacht hatte.
«Er hat mich gerufen», stieß sie hervor, um sich gleich selbst zu verbessern. «Nein, nicht der Teufel … Es war …»
Sie musste eine Pause machen und nachdenken.
«Wer?», fragte er ungeduldig. «Wer hat dich gerufen?»
Jetzt fiel es ihr ein.
«Babette.»
Der Malefizschreiber zuckte zurück. «Das alte Hexenweib, das wir zu Tode befördert haben?»
Sie nickte, wenngleich sie ihm bei diesen Worten am liebsten den Krug über den Kopf geschlagen hätte.
«Aber sie ist doch tot.»
«Babette …», sie suchte nach Worten, «ihr kalter, lebloser Geist kam letzte Nacht in meine Kammer.»
Sie nahm noch einen Schluck und spürte, wie ihr Körper und Geist vom warmen Bier eingenommen und sanft in den Schlaf getrieben wurden.
«Was wollte er von dir?»
«Folgen», antwortete sie. Ihre Augen und die Zunge wurden schwer.
«Wohin solltest du ihm folgen?»
«Schalksberg», hörte sie sich noch sagen, als sie in ein wohliges und friedliches Dunkel hinüberglitt.
Es mochte eine gute Stunde oder mehr vergangen sein, als Kathi unsanft geweckt wurde. Sie blickte in das Licht, das ihr vom Fenster aus in die Augen stach.
«Sie kommt zu sich», hörte sie eine ihr bekannte Stimme. «Meister Dürr, sie wacht wieder auf.» Der Mann schien froh zu sein, er wirkte erleichtert.
Schemenhaft erkannte sie eine zweite Person. Kathi sah sich um. «Wo bin ich?»
«Gott sei Dank», sagte der Malefizschreiber. «Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr aufwachen. Du hast wirr dahergeredet, als steckte dir das Gift des Teufels noch in den Knochen.»
Sie erschrak. Hoffentlich hatte sie sich nicht verplappert. «Was habe ich denn gesagt?»
«Schalksberg, Tanz, Babette und noch manches mehr, das ich nicht verstehen konnte.»
Sie atmete auf. Gottlob, alles andere hätte sie den Kopf gekostet. Dieser tat ihr allerdings schrecklich weh, und außerdem hatte sie einen fürchterlichen Geschmack im Mund.
«Wasser, bitte», flüsterte sie, und während der Mann es holte, beugte sich die zweite Person über sie. In ihr erkannte sie den Hexenkommissar Dürr.
«Man sagte mir», begann er, «du seist in der Nacht heimgesucht worden.»
Mühsam versuchte sie sich zu konzentrieren und fasste sich an den schmerzenden Schädel. Sie durfte jetzt keinen Fehler begehen. Was waren noch einmal die Worte, die sie dem Hexenkommissar sagen wollte?
«Babette … der Geist von Babette ist mir erschienen.»
Dürr reagierte misstrauisch. «Babette? Die alte Hexe ist tot. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Du warst doch auch auf dem Sanderanger. In dem alten Hexenweib steckte kein Funken Leben mehr. Also, wie kann sie dir dann erschienen sein?»
«Ja, Herr», stimmte sie ihm zu, «aber es war ihr Geist, der zu mir kam, nicht ihr Körper. Versteht Ihr?»
Nein, er verstand nicht. «Was meinst du mit ihrem Geist? Die Alte ist tot, und mit ihr alles, was uns gefährlich werden kann.»
«Etwas hat überlebt. Ich schwöre es.»
Dürr hatte im Laufe der Jahre viel Absonderliches über Hexen gehört, aber niemals, dass der Geist einer zu Tode gebrachten Hexe jemandem erschienen war.
Doch dann kam die Erinnerung an die alte Holle wieder hoch, deren Geist nach Belieben die Körper wechseln konnte.
Das Unwesen der Hexerei ist eine Krankheit, die sich über die Luft, das Wasser und den Geist verbreitet.
Das letzte Mal bei der kleinen Johanna. Sie war im Hof der Kanzlei vom Leben zum Tode befördert worden. Keiner der anwesenden Herren hatte sich anschließend seltsam benommen, und daher war er davon ausgegangen, dem Spuk ein Ende bereitet zu haben.
Nun aber sprach dieses Mädchen von einem vergleichbaren Vorgang.
Er
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