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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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musste umsichtig handeln. Dieses Mädchen war bei der Kalkgrube gewesen, just in dem Moment, als alles Leben aus der Alten gewichen war.
    «Wann ist dir der Geist der Babette erschienen?», fragte Dürr misstrauisch.
    «Es war mitten in der Nacht», antwortete Kathi, «plötzlich wurde es bitterkalt in meiner Stube.»
    «War das Fenster geöffnet?»
    «Nein, Herr, ich hatte es eigenhändig verschlossen, als ich zu Bett ging.»
    Dürr nickte aufmunternd. «Was ist dann geschehen?»
    «Ich spürte, dass jemand im Raum war, jemand, den ich kannte und der mir lieb war.»
    «Babette.»
    Kathi bestätigte es. «Ihr Geist erhellte die Stube, wie es das Feuer aus diesem Ofen tut. Ihr Körper und Gesicht waren nicht mehr alt, sondern jung und hübsch. Es schien, als ob sie einem Jungbrunnen entstiegen wäre. In ihrem Haar züngelten Flammen, und aus dem Mund kamen die süßesten Worte, die ich jemals gehört habe.»
    «Was hat sie gesagt?»
    «Dass ich ihr folgen solle, hinauf zum Schalksberg, wo ihr Herr und Meister zum Tanze lädt.»
    «Wer ist ihr Herr und Meister?»
    «Ihr wisst es schon, Herr. Der mit dem Huf und den Hörnern. Ich will seinen Namen nicht aussprechen.» Sie schniefte. «Dort würde es Essen und Trinken in Fülle geben, versprach Babette. Die feinsten Speisen und Getränke, die man sich nur vorstellen kann, standen dann auch wirklich für jeden bereit.»
    «Außer dir waren also noch andere dort.»
    «Ja, Herr, und ich wage es gar nicht zu sagen … Sie waren ganz ohne Kleider, so, wie der Herr im Himmel sie geschaffen hat. Sie tanzten und …»
    «Hast du jemanden erkannt?»
    «Lasst mich zuerst erzählen, wie es weiterging, Herr.» Und weil es zuvor bei dem Malefizbeamten schon seine Wirkung getan hatte, zog sie auch jetzt die Beine an, schlang die Arme darum und vergrub ihren Kopf im Schoß.
    Nun saß da ein kleines Knäuel mit Wuschelkopf neben dem Ofen, das mit schluchzender Stimme stammelte: «Und wenn ich wollte, gäbe es da auch einen Jungen …»
    Von dem Gedanken angewidert, erhob sich Dürr.
    Zur rechten Zeit kam der Malefizbeamte mit dem Becher Wasser zurück. Er wusste nicht, was in den letzten Minuten gesprochen worden war, aber beim Anblick des Mädchens konnte er sich vorstellen, dass etwas Fürchterliches geschehen sein musste. Er setzte sich fürsorglich neben sie und gab ihr zu trinken.
    Dürr behielt sie im Auge. Derartige Beschreibungen eines Hexensabbats hatte er in der Vergangenheit schon oft gehört, wenngleich erst nach der Folter. Bei diesem Mädchen jedoch verhielt es sich anders. Sie war von niemandem beschuldigt worden, sondern aus eigenen Stücken zu ihm gekommen. Sie sprach frei von der Seele weg. Seltsam.
    Doch konnten ihre Angaben stimmen? War sie überhaupt auf dem Schalksberg gewesen? Der rote Saum ihres Nachthemds wies darauf hin.
    «Lass eine Hebamme kommen», befahl er dem Malefizschreiber.
    Um das Mädchen in aller Ruhe zu beobachten und um sehen zu können, was geschah, nahm sich Dürr einen Stuhl und setzte sich in angemessener Entfernung vor sie hin.
    Kathi widerstrebte die unvermittelte Nähe zu diesem Scheusal. Sie rückte auf der Bank ein Stück weg. Dürr schaute ihr dabei unbeeindruckt zu.
    Was hatte dieser Kerl vor, fragte sie sich. Es konnte eine Stunde dauern oder länger, bis die Hebamme eintraf. Wollte er tatsächlich die ganze Zeit dort sitzen und sie beobachten? Der Gedanke war ihr unangenehm. So verbarg sie ihr Gesicht erneut im Schoß und starrte auf das Nachthemd. In Gedanken ging sie alles noch einmal durch. Die Geschichte vom Schalksberg und dem Hexensabbat hatte Dürr bereitwillig geschluckt, zumindest schien es so. Babettes geisterhafte Erscheinung stellte auch keine Hürde dar. Fragte sich, was er zu dem Ergebnis der Untersuchung sagen würde. Sie hatte alles sorgsam präpariert.
    Alles, fragte sie sich, wirklich alles?
    Ein Schreck durchzuckte sie. Wo waren die Ziegenhaare? Vor dem Tor hatte sie sie noch in der Hand gehalten. Und jetzt? Sie konnte sie nicht mehr entdecken. Hatte sie die Haare während ihres Schlafs freigegeben, oder hatte sie sie bereits vor dem Tor der Kanzlei verloren?
    Das Ziegenhaar war wichtig. Es war der unzweifelhafte Beweis, dass sie Kontakt mit dem Gehörnten gehabt hatte.
    Verstohlen blickte sie zur Seite. Lag es irgendwo auf der Bank neben ihr? Da war nichts zu sehen. Auf dem Boden? Auch nichts.
    Dann musste es vor dem Tor liegen. Sie brauchte es unbedingt, bevor die Hebamme sie untersuchte. Wie schaffte sie es

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