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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Dieser Weg führte geradewegs in die Hölle. Einmal eingeschlagen, gab es kein Zurück.
    So war Dürr im Fall dieser Kathi zunächst ratlos. Ihre Mutter Helene war eine rechtschaffene und unbescholtene Frau. Man konnte ihr nichts anhängen. Lediglich deren Mann Heinrich, der sich wahrscheinlich mit dem Geld des Bischofs davongemacht hatte, konnte ein schlechtes Licht auf sie werfen. Das schien ihm aber doch zu weit hergeholt, schließlich konnte er ihn weder befragen noch öffentlich anklagen.
    Blieb also nur dieses Mädchen. An ihren Bericht musste er sich halten. Wenn er ihr nachweisen konnte, dass der giftige Geist Babettes auf sie übergesprungen war, gab es nichts mehr zu leugnen. Er musste sie befragen und beobachten. Alles Weitere war Sache des Bischofs. Der würde dann entscheiden, was mit dem Kind zu geschehen habe.
    Er gab dem Schreiber Zeichen, die Befragung mitzuschreiben.
    «Du willst Freunde und Bekannte auf dem Schalksberg gesehen haben?», begann er unvermittelt.
    «Ja, Herr, Bekannte», antwortete Kathi. «Freunde waren keine darunter.»
    «Um welche Bekannte handelt es sich, und was haben sie dort getan?»
    Nun endlich hatte Dürr die Frage gestellt, auf die Kathi hingearbeitet hatte. Mit ihrer Antwort würde sie das Pendel an sich reißen, mit dem sie über Leben und Tod entschied. Nach all den Demütigungen der vergangenen Jahre, den Entbehrungen und der Machtlosigkeit würde sie sich mit ihrer Aussage zur Anklägerin aufschwingen und nicht mehr länger ein Mädchen sein, das man nach Belieben züchtigen konnte. Getreu dem Bibelvers
Auge um Auge, Zahn um Zahn
würde sie nun das tun, was Pfarrer, Lehrmeister und Eltern von jeher von ihr verlangten: ein pflichtbewusster und guter Christenmensch zu sein.
    Ein guter Anfang war es, mit den Zeugen zu beginnen, die Babette der Hexerei beschuldigt hatten.
    «Da war Cornelius, des Meisters Grimm erster Sohn», erinnerte sie sich, zumindest spielte sie die Rolle glaubwürdig. «Er war, wie Gott ihn geschaffen hat und mit einem Weibsbild zusammen, das ich in der Stadt schon einmal gesehen habe.»
    «Welches Weibsbild», fragte Dürr. «War sie vielleicht auch nackt?»
    Kathi nickte. «Ja, beide waren es, und sie haben getan, worüber es sich nicht zu sprechen ziemt.»
    «Nun sag schon. Welches Weibsbild war es?»
    «Es war Hortensia, Eheweib des Schulmeisters Paulus.»
    Dürr erinnerte sich. Hatte diese Hortensia Paulus nicht Babette beschuldigt, das Geschlechtsteil ihres Mannes derart verzaubert zu haben, dass es nur noch zum Wasserlassen gebraucht werden konnte und nicht mehr zu dem, was Eheleute machten, um die Nachkommenschaft zu sichern?
    Dieses lüsterne Weibsbild verlustierte sich demnach mit einem jungen Burschen, der ihr geben konnte, wonach es sie verlangte. Das würde auch zu diesem Cornelius Grimm passen, sagte sich Dürr. Bei seiner Zeugenaussage war er durch sein zügelloses, wildes Gemüt aufgefallen. Ihm traute Dürr es zu, der verdrossenen Hortensia zu geben, worauf sie offenbar sehnlichst wartete.
    Und noch eine Person fiel Dürr bei dem Namen Hortensia Paulus ein – seine Mutter. Sie war seit einiger Zeit gut mit ihr befreundet. Seine Mutter hatte ihn gedrängt, der Aussage der Paulus gegen Babette besonderes Gewicht zu geben, obwohl er ihr misstraut hatte. Er kannte sie nicht persönlich, nur vom Sehen, da sie nicht weit vom Haus seiner Mutter entfernt wohnte. Aber alte, gehässige Tratschweiber waren ihm höchst unangenehm, und genau zu dieser Sorte zählte er sie.
    «Da war noch jemand», fuhr Kathi fort. «Ich weiß seinen Namen nicht, aber er geht im Rathaus ein und aus. Dabei trägt er schwer an seinem verkrüppelten linken Arm.»
    «Stadtrat …», entfuhr es Dürr, der gerade noch den Namen unterdrücken konnte. Der Name musste von Kathi kommen, sonst konnte man ihm vorwerfen, er hätte ihn der Zeugin in den Mund gelegt.
    «Erinnere dich. Wie heißt der Mann?»
    «K… Knaus, nein, irgendetwas mit B. Ich habe ihn nur einmal gehört. B… Bauth?»
    «Der Stadtrat Joachim Bauth?»
    Kathi bestätigte es. Er hatte Babette mit der Aussage belastet, dass sie ihn als Kind über dem Feuer geröstet habe. Daher sein verkrüppelter Arm.
    Nun wird der Rest deines Körpers dem Arm folgen, dachte Kathi.
Auge um Auge.
    «Was machte der verkrüppelte Stadtrat auf dem Schalksberg?», fragte Dürr.
    «Ich habe ihn mit dem Gehörnten reden sehen, wie sie Gold und Schlüssel tauschten.»
    «Schlüssel? Die der Stadt vielleicht?»
    «Schon

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