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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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beiden.
    «Gar nichts weiß ich», blaffte die Alte, «und solange nicht der Bischof selbst Befehl gibt, wird hier niemand mitgenommen.»
    Daraufhin schloss sie die Tür mit einem Knall und ließ so die Folterknechte genauso wie die Schaulustigen wissen, wer in dieser Sache das Sagen hatte.
    Höhnisches Gelächter erhob sich. Mutter Dürr hatte die Folterknechte vorgeführt. Der Vorfall würde genauso schnell die Runde machen wie der Hexenflug selbst. In das Gelächter der Erwachsenen fielen die Kinder mit ein. Sie nahmen die Folterknechte nicht länger ernst, zeigten mit den Fingern auf sie und verspotteten sie.
    Wutentbrannt griff einer der beiden in die lärmende Horde und schnappte sich einen Jungen.
    «Lauf schnell zurück in die Kanzlei», befahl er ihm, «und hole Meister Dürr. Los, beeil dich.»
    Der Kleine tat, wie ihm befohlen, und rannte los. In der Zwischenzeit postierten sich die beiden Folterknechte als Wachen neben der Tür und schworen sich, niemand hinein- oder herauszulassen, und wenn es der Teufel höchstselbst oder Mutter Dürr war.
    Sie hatten Glück und mussten ihren überraschenden Mut nicht unter Beweis stellen. Im Haus blieb es ruhig. Davor trieben die Kinder allerlei Späße mit ihnen, und die Erwachsenen diskutierten, wie Meister Dürr reagieren würde. Sie alle kannten ihn als strengen Hexenkommissar, dem man besser nicht begegnen wollte. Nun bot sich die Gelegenheit, ihn als Sohn einer übermächtigen Mutter zu erleben. Das wollte sich keiner entgehen lassen.
    «Was meinst du», fragte Barbara, «wird er kommen?»
    «Bestimmt nicht», antwortete Otto. «Ich jedenfalls würde ein paar richtige Stadtknechte schicken, die mehr Mut haben als die beiden dort.»
    Die Kellerkinder wussten auf ihre Art, wie sie die Zeit bis zur Entscheidung nutzen konnten. Sie drückten sich zwischen den Erwachsenen herum und hielten Ausschau nach Verwertbarem. Hier und da setzte es eine Ohrfeige, aber davon ließen sie sich nicht entmutigen. Am Ende blieb immer etwas hängen. Nur einer, ein Junge, älter und größer als die anderen, beteiligte sich nicht an den Beutezügen. Er hatte Barbara und Otto beobachtet. Jetzt kam er auf sie zu.
    «Ihr seid Freunde von Ursula, richtig?», sagte er.
    Der Junge war angsteinflößend, groß und zerlumpt.
    Barbara nickte verhalten.
    «Aber ihr seid auch die Freunde von dieser Kathi.»
    Otto trat ihm mutig entgegen. «Ja, aber wen interessiert das?»
    Der Junge beschwichtigte. «Keine Sorge, ich will ihr nichts Böses. Ich habe von ihrem Hexenflug gehört.»
    «Was willst du von ihr?»
    «Ursula hat mir von euch erzählt. Ihr seid ihre besten Freunde, sagt sie.»
    Barbara atmete erleichtert auf. Wenn dieser Junge Ursula kannte, die schon seit Wochen verschwunden war, dann konnte man wohl mit ihm reden. Sie hatte geglaubt, Ursula sei gestorben oder geflohen.
    «Wie geht es ihr?», fragte Barbara.
    «Sie war krank. Lange Zeit wusste niemand, ob sie es schaffen würde. Aber nun ist sie wieder bei Kräften.»
    «Ist sie hier?», fragte Barbara und hielt in der Menge Ausschau nach ihr.
    «Nein», antwortete Volkhardt. «Sie passt auf unser Lager auf, solange wir fort sind.»
    «Was für ein Lager?», fragte Otto überrascht.
    «Meines.» Er baute sich auf. «Ich bin Volkhardt von Hohenstätt, Anführer der Schwarzen Banden.»
    Ein Adliger? Wie konnte ein Junge aus edlem Hause unter Kellerkinder geraten sein? Das war mehr als zweifelhaft.
    «Gib dir keine Mühe», sprach Volkhardt weiter, «ich werde euch weder sagen, wo unser Lager ist, noch nehme ich euch dorthin mit.»
    Die Abfuhr machte Barbara und Otto nichts aus. Wer wollte schon mit den Kellerkindern zu tun haben? Aber Ursula hätten sie doch gerne gesehen.
    «Sag ihr», erwiderte Barbara, «dass wir an sie denken und sie vermissen.»
    Volkhardt nickte. «Und ihr richtet dieser Kathi aus, dass es sehr mutig ist, was sie da angerichtet hat.»
    «Angerichtet?», fragte Otto. «Wieso das?»
    «Ihr seht doch, was hier los ist.»
    Er wies auf die vielen Erwachsenen und die Kinder um sie herum. «Das habt ihr Kathi zu verdanken. Ich habe das alles schon mal erlebt.»
    «Was meinst du damit?»
    Für eine Antwort war keine Zeit mehr. Meister Dürr war im Anmarsch. Sein schwarzer Umhang flatterte im Wind, und etwas Farbe war in sein blasses Gesicht zurückgekehrt. Das Geplapper ringsum verstummte, auch die Kinder blickten ihm entgegen.
    Die zwei Folterknechte würdigte Dürr keines Blicks. Er klopfte an die Tür. Es dauerte, aber

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