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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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er sich am Nachmittag den Magen an einer toten Katze vollgeschlagen hatte. Er hüpfte ein Stück vor, und schon erstarrte die Maus in ihrem Lauf. Auch sie spähte in die Nacht hinein, nicht mit ihren Augen, sondern mit der Nase. Sie schnupperte in den Wind – lauerte da Gefahr?
    Kolk verharrte in der Position. Seine schwarzen Augen suchten im Dunkeln nach einem Körper. Wo hatte sich die leckere Beute versteckt?
    Die Maus beschloss, dass keine Gefahr drohte. Dennoch wollte sie sich schnell in den Dachstuhl zurückziehen. Hier draußen war es viel zu –
    Das sanfte, geräuschlose Gleiten eines deutlich gefährlicheren Räubers, als Kolk es war, hörte sie nicht. Als sich die scharfen Krallen in ihren Pelz bohrten, wurde sie in einem Wimpernschlag hinaus in die Dunkelheit gerissen.
    Der Angriff hatte selbst Kolk überrascht. Er hatte die Eule weder in ihrem Anflug gesehen noch gehört. In der Ferne erklang ihr triumphaler Ruf. Aufgeregt schwang er sich empor.
    Es war eine gute Nacht zum Fliegen. Aus den Schloten der Häuser drang nur wenig Rauch in seine Augen, und in den Straßen unter ihm war niemand zu sehen, der ihm gefährlich werden konnte. Einzig auf die Kirchturmspitzen vor ihm musste er achten; sie waren schwer zu erkennen.
    Zu seiner Linken bot eine verwinkelte Dachecke Schutz, wenngleich in einem Fenster Licht brannte. Ein Mensch öffnete und schloss das Fenster mehrmals, als wollte er überprüfen, ob es sicher schließen würde.
    Um ein Feuer auf einem Platz vor dem Fluss scharten sich Männer mit Spießen und Musketen. Sie waren im Vergleich zu den vorangegangenen Tagen auffällig ruhig. Es schien, als bereiteten sie sich auf etwas vor. In den Gassen daneben erspähte er kleine Menschen mit schwarzen Gesichtern und zerrissenen Kleidern, die dem Schein des Feuers geschickt auswichen und flink von Hausecke zu Hausecke rannten. Sie hatten es offenbar auf das Brot und das Fleisch abgesehen, das in einem Korb neben den Männern lag.
    Kolk drehte ab. In diesem Teil der Stadt würde er keine Ruhe finden. Auch auf dem Festungsberg, in der großen Burg, brannten Feuer, und Soldaten liefen auf der Befestigungsanlage Wache. Er hielt sich rechts, überquerte erneut den Fluss und sah ein paar stille und dunkle Giebel vor sich. In dieser weiten Anlage mit zwei Brunnen würde er sich endlich niederlassen, beschloss er, als er schon wieder überrascht wurde. Von hinten zog etwas Seltsames, Übelriechendes an ihm vorbei. Er konnte es nicht erkennen, aber es flog geradewegs den Schalksberg hinauf.

[zur Inhaltsübersicht]
    19
    Den Hahnenschrei überhörte Kathi an diesem Morgen. Sie schlief tief und fest, nachdem sie erst spät in der Nacht eingeschlafen war. Zuvor hatte sie mit ihrer Mutter ein karges und ungewöhnlich stilles Abendessen zu sich genommen. Die beiden hatten kein Wort miteinander gesprochen – Kathi wagte es nicht, und Helene haderte mit den Geschehnissen des Vortags auf dem Marktplatz. Dabei ahnte Kathi die quälende Frage, die ihrer Mutter auf der Seele brannte.
    Hatte ihre Tochter mit der Bezichtigung der drei Würzburger tatsächlich recht?
    Noch gestern hatte Helene die Frage glatt verneint, aber nachdem ein drittes, völlig unbekanntes Mädchen die Vorwürfe bestätigte, war es um ihre Gewissheit geschehen. Den Rest des Abends war sie ins Gebet versunken.
    Kathi war danach früh zu Bett gegangen, schlafen hatte sie dennoch nicht können. Sie sah ihre Mutter die halbe Nacht unter dem Kruzifix Fürbitten sprechen. Ein ums andere Mal spürte sie den Impuls, hinauszugehen und Helene alles zu beichten. Doch dann entsann sie sich des fürchterlichen Todes, den Babette in der Kalkgrube erlitten hatte. Dieses Verbrechen würde sie nicht ungesühnt lassen, auch wenn ihre Mutter dafür einige Tage leiden musste. Babettes Tod stand über allem. Und wenn alles nach Plan lief, war der Spuk in ein paar Tagen vorbei. Danach war genügend Zeit, mit Helene über alles zu sprechen.
    Ein wütendes Pochen an der Haustür im Erdgeschoss ließ sie hochfahren.
    «Aufmachen», hörte sie einen Mann rufen, «im Namen des Bischofs, öffnet die Tür.»
    Kathi sah sich schlaftrunken um. Wo war ihre Mutter? Wieso öffnete sie nicht?
    Im Nachthemd schlurfte sie hinüber in die andere Kammer.
    «Mutter, wo seid Ihr?»
    Niemand antwortete. Als sie auf dem Tisch eine Schüssel Brotsuppe mit ein paar Bohnen vom Abendessen sah, wusste sie, dass Helene zur Arbeit gegangen war und sie hatte schlafen lassen.
    «Aufmachen! Jetzt

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