Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14
Ereignis auf der Titelseite gebracht, ergänzt durch die Fotos von zweien der Opfer: Brigadier General Stuart Phillips und Major Kevin Spark. Da Phillips schottischer Herkunft war, druckte die Zeitung am nächsten Tag auch noch einen ausführlichen Nachruf, in dem Rebus mehr als genug über Werdegang und berufliche Leistungen dieses Mannes erfuhr. Er sah seine Notizen durch, rollte den Film bis zum Ende ab, ersetzte ihn durch einen, der die zwei Wochen davor dokumentierte, und spulte ihn bis zu einem Datum vor, das er sich notiert hatte, zu einem Artikel über einen Waffenstillstand mit der IRA in Nordirland und die Rolle, die Brigadegeneral Stuart Phillips in den noch laufenden Verhandlungen gespielt hatte. Die Vorbedingungen waren strittig; großes Misstrauen der paramilitärischen Organisationen auf beiden Seiten; Splittergruppen, die für den Frieden gewonnen werden mussten... Rebus tippte mit dem Stift gegen seine Zähne, bis er merkte, dass ein anderer Archivbenutzer in seiner Nähe die Stirn runzelte. Rebus formte mit den Lippen das Wort »Entschuldigung« und überflog ein paar andere Zeitungsartikel: Weltgipfel, Kriege, Fußballberichte... Jemand hatte das Antlitz Jesu Christi in einem Granatapfel gesehen; eine Katze war weggelaufen, hatte aber zu ihren Besitzern zurückgefunden, obwohl diese in der Zwischenzeit umgezogen waren...
Das Foto der Katze erinnerte ihn an Boefhius. Er ging zurück zum Bibliothekar und fragte, wo die Enzyklopädien standen. Dort schlug er unter Boethius nach. Römischer Philosoph, Übersetzer, Politiker... wurde des Hochverrats angeklagt; verfasste, während er auf die Hinrichtung wartete, das Buch Trost der Philosophie, in dem er den Standpunkt vertrat, alles sei veränderlich und entbehre jeglicher Gewissheit... alles, bis auf die Tugend. Rebus fragte sich, ob das Buch ihm helfen könnte, Derek Renshaws Schicksal und dessen Folgen für jene, die ihm nahe gestanden hatten, zu verstehen. Irgendwie bezweifelte er das. In der Welt, wie er sie kannte, kamen die Schuldigen nur allzu oft ohne Strafe davon, und niemand interessierte sich für die Opfer. Ständig widerfuhr guten Menschen Böses und umgekehrt. Wenn Gott das alles so vorherbestimmt hatte, dann besaß der Schweinehund einen ziemlich üblen Humor. Da ging man doch lieber davon aus, dass es keine Vorherbestimmung gab, dass der pure Zufall Lee Herdman in den Aufenthaltsraum der Schule geführt hatte. Allerdings hatte Rebus den Verdacht, dass auch das nicht der Wahrheit entsprach... Er beschloss, sich irgendwo in der Nähe einen Kaffee und eine Zigarette zu genehmigen. Er hatte Siobhan morgens angerufen, um ihr zu sagen, er habe Verschiedenes in der Stadt zu erledigen und würde sich deshalb nicht mit ihr treffen können. Sie hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt; hatte nicht einmal wissen wollen, was er vorhatte. Sie schien sich mehr und mehr von ihm zu entfernen, was er ihr nicht verübeln konnte. Er hatte Schwierigkeiten schon immer magisch angezogen, und ihrer Karriere war der Umgang mit ihm bestimmt auch nicht gerade förderlich. Außerdem nahm er an, dass es noch an etwas anderem lag. Womöglich hielt sie ihn tatsächlich für einen Sammler - jemanden, der bestimmten Menschen, die er mochte oder interessant fand, zu nahe kam... manchmal unangenehm nahe. Er dachte an Miss Teris Website, daran, dass sie ihrem Zuschauer die Illusion verschaffte, er stünde mit ihr in Verbindung. Eine ziemlich einseitige Beziehung: Der Zuschauer konnte sie sehen, sie ihn aber nicht. War auch sie eines seiner »Exemplare«? Als er im Elephant House vor einem großen Kaffee mit viel Milch saß, holte Rebus sein Handy aus der Tasche. Bevor er hereingekommen war, hatte er draußen auf der Straße eine Zigarette geraucht: heutzutage wusste man nie, ob in einem Lokal geraucht werden durfte oder nicht. Mit dem Daumennagel tippte er Bobby Hogans Handynummer ein. »Ist das Deppen-Dezernat schon an der Macht, Bobby?«, fragte er. »Noch nicht ganz.« Hogan wusste, wen Rebus meinte: Claverhouse und Ormiston. »Aber sie treiben sich in unserem Revier rum?« »Und schmeißen sich an deine Busenfreundin ran.« Es dauerte etwas, bis Rebus begriff. »Whiteread?« »Genau.« »Claverhouse ist bestimmt ganz begierig darauf, ein paar nette Geschichten aus meiner Vergangenheit zu hören.« »Das erklärt vielleicht sein breites Grinsen.« »Was meinst du, wie sehr bin ich persona non grata?« »Keine Ahnung. Wo steckst du überhaupt? Ist das Zischen bei dir im
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