Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14
als fände sie dort ein plausibles Ende für ihren Satz.
»DCS Templer ist in einer Besprechung«, erklärte der Mann.
»Hab ich mir schon gedacht«, sagte Siobhan, als sie sich wieder gefangen hatte. Sie zog die Tür ins Schloss. »Übrigens«, sagte der Mann, »mein Name ist -« »Müllen.« Siobhan richtete sich kerzengerade auf, woraufhin er sie nur noch um wenige Zentimeter überragte. »Natürlich«, sagte Müllen und lächelte verkniffen. »Sie waren DI Rebus' Fahrerin, an dem Tag, als ich ihn ins Präsidium mitgenommen habe.« »Und jetzt wollen Sie mich über Martin Fairstone befragen?«, vermutete Siobhan. »Richtig.« Er schwieg einen Moment. »Vorausgesetzt, Sie haben ein paar Minuten für mich Zeit.« Siobhan zuckte die Achseln und lächelte, wie um ihm zu versichern, dass sie sich nichts Schöneres vorstellen konnte.
»Wenn Sie mir dann bitte folgen würden«, sagte Müllen. Als sie an der offenen Tür des CID-Büros vorbeikamen, warf Siobhan einen Blick hinein und sah, dass Silvers und Hynds sich nebeneinander gestellt hatten. Beide hielten ihre Krawatte straff nach oben und hatten den Kopf zur Seite gekippt, so als baumelten sie am Galgen. Das Letzte, was sie von der Zielscheibe ihres Spotts sahen, ehe sie außer Sicht verschwand, war ihr hochgestreckter Mittelfinger.
Siobhan folgte dem Mann vom Complaints Department, der erst die Treppe hinunterging und dann, kurz vor dem Eingangsbereich, die Tür zum Vernehmungsraum 1 aufschloss. »Ich nehme an, Sie hatten einen überzeugenden Grund, sich in DCS Templers Büro aufzuhalten«, sagte er, während er seine Anzugjacke auszog und über die Lehne des einen der beiden Stühle hängte. Siobhan setzte sich und sah zu, wie er auf dem Stuhl gegenüber Platz nahm, zwischen ihnen der zerkratzte und mit Kugelschreiberspuren beschmierte Tisch. Müllen beugte sich vor und hob einen Pappkarton vom Boden auf.
»Ja, hatte ich«, sagte Siobhan und beobachtete, wie er den Deckel ausklappte. Das Erste, was sie sah, war ein Foto von Martin Fairstone, aufgenommen kurz nach seiner Verhaftung. Müllen nahm das Bild heraus und hielt es ihr hin. Unwillkürlich fiel ihr auf, dass seine Nägel absolut makellos waren. »Glauben Sie, dieser Mann hat es verdient zu sterben?« »Dazu habe ich eigentlich keine Meinung«, sagte sie. »Das hier bleibt übrigens ganz unter uns.« Müllen senkte das Foto ein wenig tiefer, so dass die obere Hälfte seines Gesichts darüber auftauchte. »Keine Bandaufzeichnung, keine Zuhörer... eine private, zwanglose Unterhaltung.« »Und nur um diesen zwanglosen Charakter zu unterstreichen, haben Sie Ihr Jackett ausgezogen, stimmt's?« Er zog es vor, nicht zu antworten. »Ich frage Sie noch einmal, DS Clarke: Hat dieser Mann es verdient zu sterben?« »Wenn Sie damit meinen, ob ich mir seinen Tod gewünscht habe, dann lautet die Antwort >nein<. Ich bin einer Menge Drecksäcke begegnet, die schlimmer waren als Martin Fairstone.« »Wie stufen Sie ihn dann ein: als geringfügiges Ärgernis?« »Ich würde mir nie die Mühe machen, ihn irgendwie einzustufen.« »Sein Tod muss schrecklich gewesen sein. Als er aufwachte, war er von Flammen und Rauch umgeben, er hat dann verzweifelt versucht, seine Fesseln zu lösen... Nicht gerade die Art und Weise, die ich mir aussuchen würde, um aus dem Leben zu scheiden...« »Kann ich mir denken.« Ihre Blicke trafen sich, und Siobhan wusste, dass er jeden Moment aufstehen und im Zimmer auf und ab gehen würde, um sie nervös zu machen. Sie kam ihm zuvor, indem sie den Stuhl geräuschvoll zurückschob und aufstand. Mit verschränkten Armen ging sie zur anderen Seite des Raums, so dass Müllen gezwungen war, sich zu ihr umzudrehen.
»Sie haben das Zeug, es weit zu bringen, DS Clarke«, sagte er. »In fünf Jahren könnten Sie Detective Inspector sein, vielleicht sogar Chief Inspector, noch ehe Sie vierzig sind... Dann haben Sie zehn Jahre Zeit, um mit DCS Templer gleichzuziehen.« Er legte eine Kunstpause ein. »All das ist aber nur möglich, sofern Sie es schaffen, Untiefen zu umschiffen.« »Ich bilde mir ein, ein ziemlich gutes Navigationssystem zu besitzen.« »Das hoffe ich für Sie. DI Rebus hingegen... na ja, der Kompass, den er benutzt, scheint ihm ständig den Weg zum nächsten Abgrund zu weisen, oder?« »Dazu habe ich eigentlich keine Meinung.« »Dann wird es aber höchste Zeit, dass Sie sich eine bilden. Jemand, der so gute Karrierechancen wie Sie hat, sollte sich seine Freunde sorgfältig aussuchen.«
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