Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14
Paracetamol geben«, bot die Schwester an.
»Wie groß ist die Chance auf ein Bier zum Runterspülen?« Sie lächelte erneut ihr routiniertes Lächeln. Während ihrer jahrelangen Arbeit beim National Health Service hatte sie wahrscheinlich nicht allzu viele originelle Sprüche gehört. »Ich seh zu, was ich für Sie tun kann.« »Sie sind ein Engel«, sagte Rebus zu seiner eigenen Überraschung. Es war eine Bemerkung, von der er glaubte, dass Patienten sie machen, eines dieser bequemen Klischees. Die Schwester war schon auf dem Weg hinaus, und er war sich nicht sicher, ob sie es gehört hatte. Vielleicht hatte es etwas mit dem Wesen von Krankenhäusern zu tun. Auch wenn man sich nicht krank fühlte, übten sie dennoch eine bestimmte Wirkung auf einen aus, ließen einen träge und folgsam werden. Dem Anstaltsleben angepasst. Es konnte etwas mit den Farben, dem summenden Hintergrundgeräusch zu tun haben. Vielleicht spielte auch die Temperatur in den Zimmern eine Rolle. Auf der Polizeiwache St. Leonard's gab es eine besondere Zelle für die »Ausgeklinkten«. Sie war hell-rosa und sollte sie angeblich beruhigen. Was sprach dagegen, dass hier eine ähnliche psychologische Methode angewandt wurde? Das Letzte, was die Schwestern gebrauchen konnten, war ein pampiger Patient, der herumkrakeelte und alle fünf Minuten aus dem Bett sprang. Daher die beengenden Laken, die ganz festgesteckt waren, um jegliche Bewegung zu erschweren. Bleiben Sie einfach ruhig liegen... auf die Kissen gebettet... und aalen Sie sich in der Wärme und der Helligkeit... Machen Sie keine Unannehmlichkeiten. Er glaubte, wenn das so weiterginge, würde er bald seinen Namen vergessen. Die Welt draußen würde keine Bedeutung mehr haben. Es würde keine Arbeit auf ihn warten. Kein Fall Fairstone. Kein Wahnsinniger, der in einer Schule um sich geschossen hatte...
Rebus drehte sich auf die Seite und schob mit den Beinen die Laken weg. Es war ein Zwei-Fronten-Kampf, wie bei Harry Houdini, wenn er in einer Zwangsjacke steckte. Der Mann im Bett nebenan hatte die Augen aufgeschlagen und schaute zu. »Graben Sie ruhig weiter Ihren Tunnel in die Freiheit«, sagte er zu dem Mann. »Ich mach einen Spaziergang, Schüttel mir die Erde aus den Hosenbeinen.« Der Mitgefangene schien die Anspielung nicht zu verstehen ... Siobhan war inzwischen in St. Leonard's und trieb sich dort in der Nähe des Getränkeautomaten herum. An einem der Tische in der kleinen Kantine saßen ein paar Uniformierte und verspeisten Sandwiches und Kartoffelchips. Der Getränkeautomat stand im angrenzenden Flur, von dem aus man auf den Parkplatz hinausschauen konnte. Hätte sie geraucht, so hätte sie eine Entschuldigung gehabt, nach draußen zu gehen, wo die Chance geringer war, dass Gill Templer sie finden würde. Aber sie war Nichtraucherin. Sie konnte versuchen, in dem schlecht belüfteten Fitnessraum am Ende des Flurs in Deckung zu gehen, oder sie konnte hinüber zu den Zellen schlendern. Aber nichts würde Gill Templer davon abhalten, die Sprechanlage der Wache zu benutzen, um ihre Beute zu stellen. Es würde sich herumsprechen, dass sie im Haus war. Das war in St. Leonard's so: Es gab kein Versteck. Sie riss an der Lasche der Coladose und wusste dabei, worüber die Uniformierten am Tisch redeten - über dasselbe wie alle anderen. Drei Tote bei einer Schießerei in einer Schule.
Sie hatte die aktuellen Ausgaben der Zeitungen überflogen. Grobkörnige Fotos der toten Schüler waren abgebildet: zwei Jungen, siebzehn Jahre alt. Die Wörter »Tragödie«, »Verlust«, »Schock« und »Gemetzel« waren von den Journalisten großzügig verwendet worden. Neben der eigentlichen Geschichte füllten zusätzliche Reportagen Seite um Seite: die zunehmende Vorliebe der Briten für Waffen... mangelnde Sicherheit an Schulen... eine Chronologie der Selbstmordattentate. Siobhan betrachtete die Fotos des Täters - offenbar verfügten die Medien bisher nur über drei verschiedene Aufnahmen. Eine war sehr unscharf, so als sei auf ihr ein Geist statt eines Menschen aus Fleisch und Blut abgebildet. Die zweite zeigte einen Mann im Overall, der nach einem Seil griff, während er an Bord eines kleinen Bootes ging. Er lächelte, das Gesicht der Kamera zugewandt. Siobhan hatte den Eindruck, dass es ein Werbefoto für seine Wasserski-Firma war.
Das dritte war eine Porträtaufnahme aus der Armeezeit des Mannes. Herdman, hieß er. Lee Herdman, sechsunddreißig Jahre alt. Wohnhaft in South Queensferry, Besitzer
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