Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14
angesichts der Vorstellung von Martin Fairstone mit Krawatte. Warum nicht auch noch ein Smoking? Ein Butler, der ihm die Zigaretten drehte... »Wissen Sie«, sagte Dr. Curt, »es ist nämlich so: wenn er nichts um den Hals trug, auch kein Halstuch oder so, dann drängt sich mir der Eindruck auf, dass es sich hierbei um eine Art Knebel handelt. Vielleicht hat man ihm ein Taschentuch in den Mund geschoben und am Hinterkopf festgebunden. Er hat es zwar geschafft, das Ding loszuwerden... aber wahrscheinlich war er zu dem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, um Hilfe zu rufen. Es ist runtergerutscht und hing ihm dann um den Hals, sehen Sie?« Erneut sah Rebus es.
Er sah sich selbst, wie er versuchte, sich herauszureden. Sah, wie es ihm misslang.
7
Siobhan hatte eine Idee gehabt.
Die Panikattacken überfielen sie oft mitten in der Nacht. Vielleicht lag es an ihrem Schlafzimmer. Deshalb beschloss sie, probehalber das Sofa zu benutzen. Eigentlich die beste Lösung: Die Bettdecke über ihr ausgebreitet, freien Blick auf den Fernseher, einen Becher Kaffee und eine Tüte Chips in Griffweite. Im Laufe des Abends hatte sie sich dreimal ans Fenster gestellt und die Straße entlang geschaut. Wenn es ihr so vorgekommen war, als bewege sich einer der Schatten, hatte sie ihn zur Sicherheit für einige Minuten im Auge behalten. Als Rebus angerufen hatte, um von seinem Gespräch mit Dr. Curt zu berichten, hatte sie ihm eine Frage gestellt.
»Ist die Leiche ordnungsgemäß identifiziert worden?« Er hatte gefragt, wie sie das meine.
»Verkohlte Überreste... für eine zweifelsfreie Identifikation ist eine DNA-Analyse nötig. Ist die schon gemacht worden?« »Siobhan...« »War ja nur so ein Gedanke.« »Er ist tot, Siobhan. Streichen Sie ihn aus Ihrem Gedächtnis.« Sie biss sich auf die Lippen, fand es jetzt unangebrachter denn je, ihn mit dem Brief zu behelligen. Er hatte schon genug am Hals.
Dann hatte er aufgelegt. Der Grund für den Anruf: Rebus würde am nächsten Tag nicht in St. Leonard's sein, und sollte Templer eine Stinkwut auf ihn bekommen, würde sie vielleicht nach einem Blitzableiter suchen. Siobhan beschloss, sich noch einen Kaffee zu kochen -entkoffeinierten Nescafe. Er hinterließ einen säuerlichen Nachgeschmack in ihrem Mund. Sie blieb kurz am Fenster stehen und warf einen Blick nach draußen, ehe sie in die Küche ging. Ihr Arzt hatte sie aufgefordert, eine Liste mit den »Mahlzeiten« einer typischen Woche aufzustellen, und hatte anschließend all das umkringelt, von dem er meinte, es könne zu den Attacken beitragen. Sie versuchte, nicht an die Chips zu denken... das Dumme war, dass sie Chips geradezu liebte. Sie mochte auch Wein und kohlensäurehaltige Getränke und Essen vom Imbiss. Sie hatte dem Doktor gegenüber argumentiert, dass sie nicht rauchte und regelmäßig Fitnesstraining machte. Sie musste eben manchmal Stress abbauen... »Alkohol und Fast Food dienen Ihnen also dazu, Stress abzubauen?« »Beides hilft mir, nach Feierabend zu entspannen.« »Wie wär's, wenn Sie versuchen, es gar nicht erst zu der Anspannung kommen zu lassen?« »Wollen Sie etwa behaupten, Sie hätten niemals geraucht oder etwas getrunken?« Natürlich behauptete er das nicht. Ärzte waren noch größerem Stress ausgesetzt als Polizisten. Eines hatte sie immerhin - auf eigene Initiative - getan: Sie hatte versucht, sich für Ambient Music zu erwärmen. Lemon Jelly, Oldsolar, Boards of Canada. Bei einigen Bands hatte es nicht geklappt - Aphey Twins und Autechre. Zu wenig Fleisch auf den Knochen.
Fleisch auf den Knochen...
Sie musste an Martin Fairstone denken. Seinen Geruch: männliche Ausdünstungen. Seine verfärbten Zähne. Wie er neben ihrem Auto stand, von ihren Einkäufen aß, in seiner Aggressivität gelassen wirkte, selbstsicher. Rebus hatte Recht: Er war garantiert tot. Bei dem Brief konnte es sich nur um einen schlechten Scherz handeln. Leider fiel ihr kein passender Verdächtiger ein. Aber irgendwer musste ihn geschrieben haben, jemand, auf den sie einfach nicht kam... Sie verließ mit dem Kaffee die Küche und trat erneut ans Fenster. In dem Haus gegenüber brannten einige Lichter. Vor einer Weile hatte ein Mann sie von dort aus beobachtet - ein Detective Inspector namens Linford. Er war immer noch bei der Polizei, arbeitete im Präsidium. Sie hatte schon daran gedacht umzuziehen, aber es gefiel ihr hier, sie mochte ihre Wohnung, die Straße, das Viertel. Kleine Läden, junge Familien, Singles... Ihr wurde bewusst,
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