Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14
Callis lächelte matt. »Nein, und das weißt du genau. Man nennt es Stress-Syndrom oder so. Werde wohl Frührente beantragen....« »Wie viele Jahre sind es jetzt, Andy?« »Seit ich Polizist geworden bin?« Callis kräuselte nachdenklich die Lippen: »Fünfzehn... Fünfzehneinhalb.« »Ein einziger Zwischenfall in all den Jahren, und schon willst du alles hinwerfen? Dabei war es noch nicht einmal ein richtiger Zwischenfall...« »Sieh mich doch mal an, John. Fällt dir etwas auf? Könnte es sein, dass meine Hände zittern?« Er hob eine Hand, damit Rebus es sah. »Und in meinem einen Augenlid puckert es ständig...« Er deutete mit derselben Hand auf das Auge. »Nicht ich habe die Schnauze voll, sondern mein Körper. Verlangst du von mir, dass ich die ganzen Warnsignale ignoriere? Weißt du, wie viele Einsätze wir letztes Jahr gefahren sind? Knapp dreihundert. Wir haben dreimal so oft unsere Waffen gezückt wie im Jahr davor.«
»Die Welt wird eben immer brutaler.« »Mag ja sein, aber ich spiel da nicht mit.« »Das ist auch nicht nötig.« Rebus dachte nach. »Wie wär's, wenn du nur den Dienst mit der Waffe aufkündigst? Es gibt bei uns jede Menge Schreibtischjobs.« Callis schüttelte den Kopf. »Das ist nichts für mich, John. Der Papierkram hat mich schon immer total genervt.« »Du könntest wieder auf Fußstreife gehen...« Callis starrte ins Leere, ohne richtig zuzuhören. »Weißt du, was mir am meisten zu schaffen macht? Ich sitze zitternd hier herum, während diese kleinen Wichser weiterhin bewaffnet durch die Gegend laufen, ohne dass sie jemand daran hindert. In was für einem Land leben wir eigentlich, John?« Er drehte sich zu Rebus um und starrte ihn an. »Wofür zum Teufel sind wir denn nütze, wenn wir so was zulassen?« »Hier herumzusitzen und Trübsal zu blasen wird auch nichts ändern«, sagte Rebus leise. Im Blick seines Freundes lag zu gleichen Teilen Resignation und Zorn. Langsam hob Callis beide Füße von der Fußbank und stellte sich aufrecht hin. »Ich geh Teewasser aufsetzen. Kann ich dir irgendwas bringen?« Im Fernseher diskutierten mehrere Kandidaten über irgendeine ihnen gestellte Aufgabe. Rebus sah auf die Uhr. »Nein danke, Andy. Ich muss los.« »Ich finde es nett von dir, dass du regelmäßig vorbeikommst, John, aber du brauchst dich nicht dazu verpflichtet zu fühlen.« »Es ist nur ein Vorwand, um deine Hausbar zu plündern, Andy. Sobald alle Flaschen leer sind, siehst du mich nie wieder.« Callis bemühte sich zu lächeln. »Ich rufe dir ein Taxi, wenn du willst.« »Ich habe mein Handy dabei.« Er schaffte es sogar, auf die Tasten zu drücken - allerdings nur mit Hilfe eines Stifts.
»Willst du wirklich nichts mehr trinken?« Rebus schüttelte den Kopf. »Hab morgen viel zu tun.« »Ich auch«, sagte Andy Callis.
Rebus quittierte es mit einem Nicken. Ihre Gespräche endeten immer mit diesem Ritual: Viel zu tun morgen, John? Hab doch immer viel zu tun, Andy. Ja, ich auch... Er dachte an das, was er erzählen könnte - von der Schießerei, von Peacock Johnson. Er glaubte nicht, dass es helfen würde. Eines Tages würden sie miteinander reden können - richtig reden statt des verbalen Pingpongs, das bei ihnen so oft als Gespräch durchging. Aber jetzt noch nicht.
»Ich geh schon mal raus«, rief Rebus in Richtung Küche. »Bleib doch noch, bis das Taxi da ist.« »Ich brauch ein bisschen frische Luft, Andy.« »Du meinst, du brauchst eine Zigarette.« »Bei so viel Scharfsinn verstehe ich's wirklich nicht, wieso man dich nie zum CID geholt hat.« Rebus öffnete die Haustür.
»Ich wollte da nie hin«, lauteten Andy Callis' Abschiedsworte. Als er im Taxi saß, beschloss Rebus, einen Umweg zu machen, sagte dem Fahrer, er solle Richtung Gracemount fahren, und dirigierte ihn dann zu dem Haus, in dem Martin Fairstone gewohnt hatte. Die Fenster waren vernagelt, die Tür zum Schutz gegen Vandalen mit einem Vorhängeschloss gesichert. Sonst würde die Wohnung binnen kurzem von ein paar Junkies in eine Crack-Höhle verwandelt werden. An der Außenwand waren keine Brandspuren zu sehen. Die Küche ging nach hinten hinaus. Dort würden die Schäden größer sein. Die Feuerwehrmänner hatten einige Gegenstände aus der Wohnung in den verwahrlosten Vorgarten gebracht: Stühle, einen Tisch, einen kaputten Standstaubsauger. Man hatte die Sachen einfach dort abgestellt, aber bisher schien niemand Lust gehabt zu haben, sie zu klauen. Rebus sagte dem Taxifahrer, er könne weiterfahren. An
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