Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14
Grund hatte Rebus seine Stammkneipe vorgeschlagen, die Oxford Bar, die sich in einer schmalen Parallelstraße der George Street befand, mehrere Kilometer sowohl von Curts Büro als auch St. Leonard's entfernt.
Sie saßen im Nebenraum an einem Tisch an der Rückwand. Sie hatten ihn ganz für sich allein. Im eigentlichen Schankraum standen - was nicht weiter überraschte, da es Wochentag und früher Abend war - nur ein paar im Aufbruch begriffene Büroangestellte sowie ein gerade erst eingetroffener Stammgast. Rebus brachte die Getränke an den Tisch: ein großes Bier für ihn selbst, einen Gin Tonic für den Pathologen. »Prost«, sagte Curt und hob sein Glas.
»Zum Wohle, Doktor.« Rebus konnte ein Glas noch immer nicht mit einer Hand heben. »Sieht aus wie beim Abendmahl in der Kirche«, bemerkte Curt. Dann: »Wollen Sie mir erzählen, wie das passiert ist?« »Nein.« »Es machen die wildesten Gerüchte die Runde.« »Das können sie von mir aus so lange tun, bis sie schwindelig sind. Was mich mehr interessiert, ist Ihr Anruf. Wollen wir nicht lieber darüber- reden?« Rebus hatte sich zu Hause absetzen lassen, ein lauwarmes Bad genommen und sich telefonisch beim Inder etwas zu essen bestellt. Jackie Leven lieferte die musikalische Begleik##161 tung, sang über die gefühlvollen, verschlossenen Männer aus Fife - wie hatte Rebus nur vergessen können, ihn in die Liste mit aufzunehmen? Und dann Curts Anruf.
Ich würde gerne mit Ihnen reden. Persönlich. Heute Abend noch... Keine Andeutung wieso, nur die Verabredung in der Oxford Bar für halb acht. Curt nahm einen weiteren Schluck von seinem Drink. »Wie ist es Ihnen in letzter Zeit ergangen, John?« Rebus starrte ihn an. Bei manchen Männern, Männern eines gewissen Alters und einer gewissen sozialen Stellung, war eine solche Einleitung obligatorisch. Rebus bot dem Pathologen eine Zigarette an, und er nahm sich dankend eine.
»Ziehen Sie für mich bitte auch eine raus«, sagte Rebus. Curt tat es, und beide Männer rauchten schweigend ein paar Züge.
»Mir geht es bestens, Doktor. Und Ihnen? Überkommt Sie öfters das Bedürfnis, abends einen Polizisten anzurufen und sich mit ihm in einer Kaschemme zu treffen?« »Wenn ich mich recht entsinne, war diese >Kaschemme< Ihre Wahl und nicht meine.« Rebus gestand das mit einer leichten Verbeugung ein. Curt lächelte. »Sie sind nicht unbedingt von den Geduldigen einer, John...« Rebus zuckte die Achseln. »Ich hätte nichts dagegen, den Rest des Abends hier zu sitzen, nur wäre ich deutlich entspannter, wenn ich wüsste, worum es geht.« »Es geht um die Überreste eines Mannes namens Martin Fairstone.« »Ach so?« Rebus setzte sich auf dem Stuhl etwas anders hin und schlug die Beine übereinander. »Sie kennen ihn doch, nehme ich an.« Jedes Mal, wenn Curt an der Zigarette zog, schien sein ganzes Gesicht nach innen gesogen zu werden. Er hatte erst in den letzten fünf Jahren angefangen zu rauchen, so als wollte er feststellen, ob er sterblich war wie alle anderen auch. »Ich kannte ihn«, sagte Rebus.
»Ja, richtig... Vergangenheitsform, bedauerlicherweise.« »Nicht allzu bedauerlich. Ich habe nicht den Eindruck, dass er von vielen vermisst wird.« »Wie dem auch sei, Professor Gates und ich... nun ja, wir sind auf gewisse sonderbare Details gestoßen.« »Asche und Knochen, meinen Sie?« Curt schüttelte langsam den Kopf, ohne auf den Witz zu reagieren. »Nach der kriminaltechnischen Analyse wissen wir mehr...« Er verstummte. »DCS Templer ist ziemlich hartnäckig. Soweit ich weiß, wird Gates morgen mit ihr reden.« »Und was hat das alles mit mir zu tun?« »Templer glaubt, Sie hätten sich womöglich strafbar gemacht, denn es handelt sich um Mord.« Das letzte Wort schien zwischen ihnen in der dunstigen Luft zu schweben. Rebus brauchte es nicht zu wiederholen; Curt hörte die unausgesprochene Frage. »Ja, momentan deutet alles auf einen Mord hin«, sagte er, langsam nickend. »Wir haben Beweise dafür, dass er an den Stuhl gefesselt war. Ich habe Fotos mitgebracht...« Er griff in die Aktentasche, die neben ihm auf dem Boden stand.
»Doktor«, sagte Rebus, »die sollten Sie mir wahrscheinlich lieber nicht zeigen.« »Ich weiß, und ich würde es auch nicht tun, wenn ich es auch nur ansatzweise für möglich hielte, dass Sie in die Sache verwickelt sind.« Er schaute hoch. »Denn ich kenne Sie, John.« Rebus blickte in Richtung der Aktentasche. »Sie wären nicht der Erste, der sich in mir täuscht.«
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