Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14

ein, denn er hatte gemerkt, dass er gerade in der Vergangenheitsform von Herdman gesprochen hatte. »Was soll das alles?« Ein erneuter Blick auf Lesser, durch den sich Rebus an ein dressiertes Tier erinnert fühlte, das auf Anweisungen seines Besitzers wartete. »Muss ich hier bleiben?« »Die Tür ist offen, Robert.« Lesser wies mit der Hand in die entsprechende Richtung. »Das wissen Sie doch.« »Lee ist abgängig, Mr. Niles«, sagte Rebus und beugte sich ein wenig vor. »Wir würden gerne wissen, was mit ihm passiert ist.« »Abgängig?« Rebus zuckte die Achseln. »Es ist eine ziemlich lange Fahrt von Queensferry hierher. Sie beide müssen sich ziemlich nah gestanden haben.« »Wir waren im selben Regiment.« Rebus nickte. »SAS. Waren Sie auch in derselben Einheit?« »C-Schwadron.« »Da war' ich auch beinahe hingekommen.« Rebus probierte es mit einem Lächeln. »Ich war bei den Paras... und wollte ins Regiment.« »Was ist passiert?« Rebus versuchte, nicht an das zurückliegende Grauen zu denken. »Ausbildung geschmissen.« »Zu welchem Zeitpunkt?« Die Wahrheit zu sagen war einfacher als zu lügen. »Ich habe alles geschafft bis auf die Psycho-Tests.« Ein breites Lächeln riss Niles' Miene auf. »Die haben Sie kleingekriegt.« Rebus nickte. »So klein wie eine blöde Ameise, Kamerad.« Kamerad: ein Soldaten-Wort.
    »Wann war das?« »Anfang der Siebziger.« »Bisschen vor meiner Zeit also.« Niles dachte nach. »Man hat die Tests ändern müssen«, erinnerte er sich. »Waren vorher viel härter gewesen.« »Ja, bei mir zum Beispiel.« »Die haben Sie mit den Tests kleingekriegt. Was hat man denn mit Ihnen gemacht?« Niles kniff die Augen zusammen. Er wirkte wacher als zuvor, jetzt, da er ein richtiges Gespräch führte und jemand anders auf seine Fragen antwortete.
    »Ich war in eine Zelle eingesperrt... es war die ganze Zeit laut und hell... aus den anderen Zellen kamen Schreie...« Rebus merkte, dass ihm nun alle mit ungeteilter Aufmerksamkeit zuhörten. Niles klatschte in die Hände. »Der Heli?«, fragte er. Als Rebus nickte, klatschte er erneut und wandte sich dann an Dr. Lesser. »Du bekommst einen Sack über den Kopf und wirst in einen Heli verfrachtet, und dann sagen die Kerle dir, dass sie dich rausschmeißen, wenn du ihnen nicht erzählst, was sie hören wollen. Wenn sie dich dann rausschmeißen, stellst du fest, dass du nur zwei Meter überm Boden warst, aber das weißt du vorher natürlich nicht!« Er wandte sich wieder an Rebus. »Das ist richtig übel.« Dann streckte er Rebus eine Hand entgegen. »Ja, ist es«, sagte Rebus und versuchte gleichzeitig, den rasenden Schmerz zu ignorieren, den ihm der Händedruck bereitet hatte.
    »Für mich hört es sich ziemlich barbarisch an«, bemerkte Dr. Lesser, das Gesicht blasser als zuvor. »Es macht dich zum Sieger oder zum Verlierer«, berichtigte Niles sie. »Ich war ein Verlierer«, sagte Rebus. »Aber Sie, Robert... waren Sie hinterher ein Sieger?« »Ja, für eine Weile.« Niles' Begeisterung ließ etwas nach. »Wenn man den Abschied nimmt... dann wird's einem klar.«
    »Was?« »Die Tatsache, dass alles, was man...« Er verstummte, wurde starr wie eine Statue. Hatte plötzlich die Wirkung irgendwelcher Medikamente eingesetzt? Aber hinter Niles schüttelte Lesser den Kopf, was wohl bedeuten sollte, dass es keinen Grund zur Sorge gab. »Ich hab einige von den Paras gekannt«, sagte er schließlich. »Das waren echt coole Arschlöcher.« »Ich war bei der Rifle Company, 2. Para.« »Waren also in Nordirland im Einsatz.« Rebus nickte. »Und anderswo.« Niles klopfte mit dem Finger gegen den Nasenflügel. Rebus stellte sich vor, wie seine Finger einen Messergriff umschlossen und er die Klinge über die glatte, helle Haut eines Halses zog. »Psst... Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste«, sagte Niles. Das Wort, an das Rebus gedacht hatte, war allerdings »Ehefrau« gewesen. »Als Sie Lee das letzte Mal gesehen haben«, fragte er ruhig, »schien da mit ihm alles in Ordnung zu sein? Hatte er vielleicht irgendwelche Sorgen?« Niles schüttelte den Kopf. »Lee bewahrt immer Haltung. Ich habe ihn noch nie gesehen, wenn's ihm schlecht geht.« »Aber Sie wissen, dass es ihm manchmal schlecht geht?« »Wir sind dafür ausgebildet, es uns nicht anmerken zu lassen. Wir sind schließlich Männer« »Ja, das sind wir«, bestätigte Rebus.
    »In der Armee ist kein Platz für Memmen. Eine Memme schafft's nicht, jemanden Wildfremdes zu erschießen oder mit