Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14
Schaden, statt ihn zu verhindern. Jemand wie Jack Bell hingegen erweckte den Eindruck, dass er wenigstens den Versuch unternahm, etwas zu ändern... Rebus kannte die Sprüche, die bei Seminaren aufgetischt wurden: proaktiv statt reaktiv. Eines der Boulevardblätter hieb in ebendiese Kerbe. Der Kommentator unterstützte Beils Kampagne, worin auch immer sie bestehen mochte: Wenn unsere Ordnungskräfte nicht mit dieser spürbaren, stetig wachsenden Bedrohung fertig werden, dann ist es die Aufgabe von jedem von uns, sich als einzelner Bürger oder Teil einer Organisation gegen die Flut der Gewalt zu stemmen, die unsere Zivilisation bedroht...
Das dürfte ziemlich leicht zu schreiben gewesen sein, nahm Rebus an, denn der Autor hatte bloß Beils Worte zu diktieren brauchen. Hogan blickte zu der Zeitung hinüber. »Bell hat momentan ziemlich Oberwasser.« »Das ändert sich auch wieder.« »Hoffentlich. Das scheinheilige Arschloch kotzt mich an.« »Darf ich Sie mit diesen Worten zitieren, Detective Inspector Hogan?« »Journalisten: Noch so ein Grund, warum dieses Land wirklich das Letzte ist...« In Dumfries legten sie eine Kaffeepause ein. Das Cafe fiel durch die schaurige Kombination aus Resopal und schlechter Beleuchtung auf, aber nachdem die beiden Männer den ersten Bissen von ihren mächtigen Schinkenbrötchen gegessen hatten, war ihnen das völlig egal. Hogan sah auf seine Uhr und stellte fest, dass sie fast zwei Stunden lang unterwegs gewesen waren.
»Wenigstens hat der Regen aufgehört«, sagte Rebus. »Hipp, hipp, hurra«, erwiderte Hogan.
Rebus beschloss, es mit einem Themenwechsel zu versuchen. »Warst du schon mal hier?«
»Bestimmt bin ich irgendwann mal durch Dumfries gefahren. Kann mich aber nicht erinnern.« »Ich hab einmal hier in der Nähe Urlaub gemacht. Camping am Solway Firth.« »Wann war das?« Hogan leckte Butter von den Innenseiten seiner Finger. »Ist eine Ewigkeit her... Sammy trug noch Windeln.« Sammy: Rebus' Tochter. »Hast du viel Kontakt mit ihr?« »Wir telefonieren ab und zu.« »Wohnt sie noch unten in England?« Rebus nickte. »Grüß sie von mir.« Er klappte sein Brötchen auf und pulte einen Teil des Fettrands vom Schinken. »Das Essen in Schottland: noch so eine Plage, mit der wir uns rumschlagen müssen.« »Meine Güte, Bobby, soll ich dich nachher in Carbrae lassen? Du kannst dich ja selbst einweisen, so ein Miesepeter wie du fehlt denen sicher noch.« »Ich habe bloß gemeint...« »Was hast du gemeint? Dass bei uns das Wetter beschissen ist und wir uns beschissen ernähren? Ich schlage vor, du lässt Grant Hood eine Pressekonferenz geben, denn das ist für unsere Landsleute bestimmt eine echte Neuigkeit.« Hogan konzentrierte sich aufs Essen, kaute, allerdings ohne zu schlucken. »Vielleicht hab ich einfach zu lange im Auto gesessen«, sagte er schließlich.
»Zu lang mit dem Port-Edgar-Fall beschäftigt«, konterte Rebus. »Das sind doch erst -« »Egal, wie viele Tage. Erzähl mir nicht, dass du genug Schlaf kriegst. Kannst du an was anderes denken, wenn du abends nach Hause kommst? Abschalten? Verantwortung abgeben? Dich Kollegen anvertrauen...« »Ich hab begriffen, was du meinst.« Hogan schwieg einen Moment. »Immerhin habe ich dich um Hilfe gebeten.«
»Klar, denn sonst hättest du wahrscheinlich allein hier runterfahren müssen.« »Na und?« »Und hättest niemanden zum Volljammern gehabt.« Rebus sah ihn an. »Hat's gut getan, es mal alles rauszulassen?« Hogan lächelte. »Womöglich hast du Recht.« »Na, das wäre ja eine echte Premiere.« Beide lachten. Hogan bestand darauf, die Rechnung zu bezahlen, Rebus gab ein Trinkgeld. Sie fuhren weiter und fanden problemlos die Straße nach Dalbeattie. Fünfzehn Kilometer hinter Dumfries wies ein kleines Schild nach rechts, und sie folgten den Windungen der schmalen, bergan führenden Nebenstraße, auf der in der Mitte Gras wuchs.
»Herrscht nicht gerade reger Autoverkehr«, kommentierte Rebus. »Ein bisschen zu abgelegen für großen Besucherandrang«, stimmte Hogan zu. Carbrae war in den fortschrittlichen sechziger Jahren errichtet worden, ein längliches schachteiförmiges Gebäude mit mehreren Anbauten. Die beiden Männer sahen das alles aber erst, nachdem sie den Wagen abgestellt, sich am Tor ausgewiesen und in Begleitung hinter die dicke graue Betonmauer gelassen worden waren. Vor der Mauer gab es noch einen etwa sechs Meter hohen Stacheldrahtzaun, der hier und da mit Überwachungskameras bestückt war. Am
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