Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)
in La Residencia bleiben.«
»Wie ich schon Ihrem Bruder gesagt habe, können Sie gern hier einziehen. Das kann heute geschehen. Ich ziehe dann sofort aus. Das wird Ihr neues Zuhause sein.«
»Ich will nicht, dass du fortgehst«, sagt der Junge.
»Ich gehe nicht weit weg, mein Junge. Ich werde zu Elena und Fidel ziehen. Du kannst mit deiner Mutter jederzeit zu Besuch kommen.«
»Ich will, dass du hierbleibst«, sagt der Junge.
»Das ist lieb von dir, aber ich kann mich nicht zwischen dich und deine Mutter drängen. Von jetzt an werdet ihr beide zusammen sein. Du wirst eine Familie haben. Ich kann nicht Mitglied dieser Familie sein. Aber ich werde ein Helfer sein, ein Diener und ein Helfer. Das verspreche ich.« Er wendet sich an Inés. »Sind wir uns einig?«
»Ja.« Wo sie sich jetzt entschieden hat, ist Inés recht herrisch geworden. »Wir kommen morgen wieder. Wir bringen unseren Hund mit. Werden Ihre Nachbarn etwas gegen einen Hund einzuwenden haben?«
»Das würden sie sich nicht trauen.«
Als Inés und ihr Bruder am nächsten Vormittag zurückkommen, hat er schon die Fußböden gekehrt, die Fliesen geschrubbt, die Bettwäsche gewechselt; seine eigenen Besitztümer sind zusammengeschnürt, bereit zum Abtransport.
Diego führt die ankommende Prozession und trägt einen großen Koffer auf der Schulter. Er lässt ihn auf das Bett fallen. »Es kommt noch mehr«, verkündet er bedrohlich. Und so ist es: ein Koffer, noch größer, und ein Stapel Bettwäsche, dazu eine riesige Daunenbettdecke.
Er, Simón, zögert seinen Abschied nicht hinaus. »Sei artig«, sagt er zum Jungen. »Gurke isst er nicht«, sagt er zu Inés. »Und lassen Sie ein Licht brennen, wenn er zu Bett geht, er schläft nicht gern im Dunkeln.«
Sie gibt nicht zu erkennen, dass sie ihn gehört hat. »Hier drinnen ist es kalt«, sagt sie und reibt sich die Hände. »Ist es immer so kalt?«
»Ich werde einen Heizstrahler kaufen. Ich bringe ihn morgen oder übermorgen.« Diego streckt er die Hand hin, die Diego zögernd ergreift. Dann nimmt er sein Bündel und geht mit großen Schritten fort, ohne sich umzublicken.
Er hatte angegeben, dass er bei Elena wohnen würde, beabsichtigt das aber in Wirklichkeit nicht. Er geht zu den Hafenanlagen, die am Wochenende menschenleer sind, und verstaut seine Habseligkeiten in der kleinen Hütte am Kai Zwei, in der die Männer ihre Sachen aufbewahren. Dann geht er zur Siedlung zurück und klopft an Elenas Tür. »Hallo«, ruft er, »können wir beide mal miteinander reden?«
Beim Tee skizziert er ihr die neue Ordnung. »Ich bin sicher, dass David aufblühen wird, wo er jetzt eine Mutter hat, die sich um ihn kümmert. Es hat ihm nicht gutgetan, nur von mir betreut zu werden. Er stand zu sehr unter Druck, selbst ein kleiner Mann zu werden. Ein Kind braucht seine Kindheit, findest du nicht auch?«
»Ich traue meinen Ohren nicht«, erwidert Elena. »Ein Kind ist kein Küken, dass man irgendeiner fremden Henne unter die Flügel stecken kann, damit sie es aufzieht. Wie konntest du nur David jemand überantworten, den du vorher nie gesehen hast, einer Frau, die vermutlich aus einer momentanen Laune heraus handelt und das Interesse verlieren wird, noch ehe die Woche um ist und ihn zurückgeben will?«
»Bitte, Elena, verurteile diese Inés nicht, bevor du sie kennengelernt hast. Sie handelt nicht aufgrund einer momentanen Laune; im Gegenteil, ich glaube, dass sie aufgrund einer Kraft handelt, die stärker ist als sie selbst. Ich zähle auf dich, dass du uns hilfst, dass du ihr hilfst. Sie befindet sich auf unbekanntem Territorium; sie hat keine Erfahrung mit der Mutterschaft.«
»Ich verurteile diese deine Inés nicht. Wenn sie um Hilfe bittet, werde ich ihr helfen. Aber sie ist nicht die Mutter deines Jungen und du solltest aufhören, sie so zu nennen.«
»Elena, sie
ist
seine Mutter. Ich bin in dieses Land gekommen, ohne irgendetwas außer einer felsenfesten Überzeugung: dass ich die Mutter des Jungen erkennen würde, wenn ich sie sehe. Und als ich Inés erblickte, wusste ich sofort, sie ist es.«
»Du bist einer Eingebung gefolgt?«
»Mehr als das. Einer Überzeugung.«
»Einer Überzeugung, einer Eingebung, einer Einbildung – was macht den Unterschied, wenn man es nicht überprüfen kann? Ist dir schon einmal in den Sinn gekommen, dass, wenn wir alle nach unseren Eingebungen handeln würden, die Welt zum Chaos werden würde?«
»Ich sehe nicht, warum das so sein sollte. Und was ist verkehrt an
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