Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)
irgendwie unter einen Hut kriegen kann.
Nach einer Stunde im Internet ist klar: kann ich nicht. Das mit der Trennung muss ich auf später verschieben. Ich erkläre Rainer also in halbwegs normalem Tonfall, dass ich am Freitagmorgen operiert werde und es nett fände, wenn er mich hinfahren könnte. An der Stelle hätte er beinahe noch einen Pluspunkt gesammelt, denn er sagt sofort: »Ja klar, auf jeden Fall!« Der Pluspunkt wird aber wieder aberkannt, weil ihm einfällt, dass am Donnerstag davor der Junggesellenabschied von Möhre stattfindet. Da kann er da ja dann nicht so richtig viel trinken, wenn er mich am Freitagmorgen –
Wieder einen Blick später ist aber auch das kein Thema mehr, und Rainer streichelt mich beim Fernsehgucken beruhigend auf der Couch. Wobei er peinlich genau darauf achtet, auf keinen Fall auch nur in die Nähe meiner verknubbelten Brust zu kommen. Ich merke es natürlich. Und im Gegensatz zum Knubbel selbst tut das weh.
Am Tag vor der OP geht Rainer morgens zur Arbeit, informiert mich, dass ich nicht auf ihn warten soll, weil er ja abends den Junggesellenabschied von Möhre … – aber er wird mich morgen »auf jeden Fall« ins Krankenhaus fahren. »Mach dir keine Sorgen, Schatz, da wird schon nichts sein.« Damit geht er, unter jedem Arm einen Sixpack »für Notfälle«.
Ich rufe sicherheitshalber Miri an, die zukünftige Frau von Möhre, und frage sie, ob sie mich »im unwahrscheinlichen Fall, dass die Jungs in irgendeinem Puff hängenbleiben«, am Freitagmorgen zum Krankenhaus fahren kann, und sie sagt sofort zu. Und erkundigt sich, ob ich am Abend nicht zu ihr kommen will, »weil ich mir doch bestimmt einen riesen Kopf mache und vor Panik die Wände hochgehe, wenn ich da so ganz alleine bin«.
Bei dem Angebot kommen mir die Tränen. Ich frage mich ernsthaft, womit Möhre eine Frau wie Miri und ich einen Mann wie Rainer verdient haben. Natürlich wird dieser »Plan B« von mir nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Ich mag Miri und bin ihr dankbar für ihre Anteilnahme, aber bei einer solchen OP will ich doch lieber den Mann bei mir haben, der meine linke Brust besser kennt als ich. Rainer weiß, dass ich Krankenhäuser hasse. Er weiß, dass ich Angst vor Spritzen habe und dass ich nicht gerne allein bin, wenn ich krank bin. Egal, wie beschissen es bei uns auch gerade läuft, ich rechne felsenfest damit, dass Rainer mich tagsüber von der Arbeit aus anruft und fragt, ob alles in Ordnung ist. Oder wenigstens eine SMS schickt. Ganz eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass er den kompletten Junggesellenabschied verschiebt und bei mir ist, bis die OP vorbei ist.
Ich muss ihm zugutehalten, dass er genau das vorgeschlagen hat und ich heldenhaft geantwortet habe: »Ach, Quatsch, Möhre ist dein bester Kumpel, und wahrscheinlich ist das ja wirklich nur ’ne doofe Zyste. Ist echt nicht nötig.«
Das hatte ich gesagt. Aber doch nicht gemeint . Ich erwarte von meinem Freund in so einer Situation nicht, dass er zwischen den Zeilen hört. Ich erwarte von einer Katze ja auch nicht, dass die selbst ihr Klo saubermacht.Falls wir jemals heiraten sollten, wird der Pfarrer Rainer bei »… in guten Tagen« ansehen, und mich bei »… in schlechten Tagen«.
Rainer ruft den ganzen Donnerstag über nicht an. Er schickt auch keine SMS. Gegen neun Uhr am Abend beginne ich, langsam aber sicher durchzudrehen. Weil ich bis zu diesem Moment noch ernsthaft gehofft habe, dass Rainer nur deshalb nicht anruft, weil er den Junggesellenabschied nach einem Bier verlässt und nach Hause kommt. Er ist auch nachts um drei Uhr noch nicht wieder da. Ich schmeiße meinen Stolz über Bord und rufe ihn an. Er geht nicht ran. Vierzehn mal nicht. Gegen sechs Uhr schlafe ich ein. Um halb acht steht Rainer schwankend vorm Bett und sagt, »dasser eignlich jetz no kein Auo fahn daaf …«
Ich bin so ruhig und klar wie lange nicht mehr. »Kein Problem, ich hab Miri schon gefragt, ob sie mich fahren kann.«
Rainer ist erleichtert und fällt schwer und stinkend ins Bett. Dabei will er mich ernsthaft »zum Anmuckeln« in den Arm nehmen. Ich nehme seinen Arm sachlich weg, rufe Miri an und lasse mich von ihr zum Krankenhaus fahren. Der Junggesellenabschied, den Rainer organisiert hat, war ein voller Erfolg, teilt sie mir auf der Fahrt mit.
An diesem Abend habe ich eine kleine Narbe an der linken Brust und Rainer einen dicken Kopf. Die Narbe sieht so aus, als hätte ich eine Brustvergrößerung machen lassen, sagt Rainer, und
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