Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)
sagt, er will einen richtig fetten Junggesellenabschied. Zu mir. Und zwar in einem Ton, in dem einer, der dringend eine Spenderniere braucht, sagt: »Du hast doch meine Blutgruppe! Und zwei gesunde Nieren!« Also als unmissverständliche Aufforderung. Und er schiebt noch hinterher »… die anderen Jungs finden ja eh nicht, dass ich die Miri heiraten sollte.«
Ich weiß, dass das der Moment ist, ihm zu sagen, dass ich seinen Entschluss, die Miri zu heiraten, für noch falscher halte als seinen Entschluss von vor zehn Jahren, sich eine Schildkröte auf den Arm zu tätowieren. Miri wird noch schwieriger, schmerzhafter und teurer wieder loszuwerden sein als die Kröte. Aber unangenehme Wahrheiten auszusprechen gehört auch nicht zu meinen Stärken. Deswegen sage ich »Ach, Quatsch!« und »Hauptsache, du bist von der Straße weg …« und was man halt so an Belanglosigkeiten sagt, wenn einer die weitreichendste Entscheidung seines Lebens trifft.
Anschließend sitze ich zu Hause und überlege, wie ich diesen Junggesellenabschied organisiere. Zu Beerdigungen gehören Butterkuchen, Kaffee und Schnittchen, zu Junggesellenabschieden gehören Stripper, Bier und lustige Verkleidungen. Ich überlege kurz, ob es nicht witzig wäre, das mal zu tauschen, habe aber das Gefühl, Butterkuchen und Schnittchen könnten auch das jähe Ende der Freundschaft zwischen Möhre und mir sein. Mit dem Bierbike in den Stripclub wäre die Lösung, die am wenigsten Mühe macht, gleichzeitig könnte das auch so wirken, als hätte ich die Lösung gewählt, die am wenigsten Mühe macht.
Am Ende hab ich eine Idee: Ich plane eine Zeitreise. In die Vergangenheit. Die allermeisten Jungs rund um Möhre und mich kennen sich seit Kindertagen. Ich miete einen Kleinbus, und die Jungs, Möhre und ich fahren an die Orte, wo wir als Kinder und Jugendliche waren, ich denke mir ein paar Aufgaben aus, die mit unserer gemeinsamen Zeit zu tun haben, und dabei wird Bier getrunken. So ist der Plan. Ich bin sehr mit mir zufrieden und denke, am Ende kann ich vielleicht doch besser organisieren, als ich immer gedacht habe.
Am Tag des Junggesellenabschieds stellt sich das als Irrtum heraus. Der Kleinbus ist zu klein für alle, die ich eingeladen habe. Wir machen ein Trinkspiel, um zu ermitteln, wer mit dem eigenen Wagen nachkommen muss. Es trifft Siggi. Siggi wird auch Thilo abholen, dem ich angeblich ein falsches Datum gemailt habe. Dafür ist Momir dabei, der der Mann von Miris bester Freundin ist und ab jetzt dazugehören soll. Hat Miri beschlossen. Momir ist Serbe, spricht aber sehr gut Deutsch. Er sagt zum Beispiel fast akzentfrei, dass er Junggesellenabschiede scheiße findet. Als wir losfahren, hat schon keiner mehr Lust.
Der erste von mir geplante Stopp auf unserer Reise in die Vergangenheit ist unsere alte Grundschule. Es geht darum, wie in alten Tagen schnell über den Zaun des Schulhofs zu kommen. Das klappt nicht mehr bei allen gut. Die Loser müssen zur Strafe Bier trinken. Die anderen trinken einfach nur so, bis Momir etwas über Zäune, Srebrenica und den Balkankrieg erzählt und damit die Stimmung wieder gegen null fährt, anschließend rufen besorgte Grundschulmütter wegen der auf dem Schulhof lauernden Perversen die Polizei, und wir alle flüchten wieder über den Zaun, dieses Mal aber schneller …
Nach der dritten Station stellt sich die Frage, wer überhaupt noch nüchtern genug ist, den Kleinbus zu fahren und warum, sowie die Fragen, wo Siggi und Thilo bleiben, wann genau wir Momir verloren haben und wer dieses Chaos organisiert hat. An Station vier sind Siggi und Thilo da, dafür ist aber der Kleinbus weg, zumindest hat keiner mehr eine Idee, ob und wo wir geparkt haben. Station vier ist das Elternhaus von Doris Gertzke, Möhres erster Freundin. Beziehungsweise der kleine Park vor dem Haus, von dem aus man damals in Doris’ Zimmer gucken konnte.
Hier, wo das ganze Elend mit den Frauen angefangen hat, frage ich Möhre, ob er Miri wirklich für eine gute Idee hält. Dauerhaft. »Wenn’s gut läuft, hast du noch vierzig Jahre«, sage ich schon etwas undeutlich, »das ist scheiße lang. Ich mein das jetzt nicht kritisch gegen die Miri«, lalle ich, »aber willst du dir echt die Miri so lange ans Bein binden?«
Möhre wirkt plötzlich fahrlässig nüchtern. Er sei schon in Fünf-Sterne-Hotels gewesen, sagt er, mit Pool und Strand und allem Schnedderedeng, »und das ist geil, keine Frage«, sagt Möhre, und ich kann nicht folgen. »Letztes
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