Die Klassefrau
Liebschaften, all das war immer völlig problemlos gelaufen. Zu problemlos.
Aber Mallory Atkinson passte nicht in dieses Schema. War sie es wert?, fragte sich Peter, während er sich eilig anzog. Er liebte sie noch nicht. Er war sich nicht einmal sicher, ob er sie überhaupt mochte. Schließlich war er ein Mann mit einem freien Willen. Er konnte diese Träume abstellen, dafür sorgen, dass sie verschwinden. Und er konnte sich davon distanzieren. In der Vergangenheit hatte er einige seiner Prophezeiungen ignoriert, und es hatte nicht in einer Katastrophe geendet. Er hatte keine bleibenden Schäden, weder körperlicher noch geistiger Natur, davongetragen, sondern sein Leben so ruhig und gelassen wie zuvor weitergeführt.
Das könnte er jetzt auch tun. Schließlich war sein Leben doch gar nicht mal so übel. Seine Arbeit befriedigte ihn, er hatte eine Menge Freunde, und seine Nächte konnte er sich je nach Bedarf versüßen lassen. Warum sollte er sich dieses harmonische Dasein durch eine übellaunige Furie verderben lassen, die nicht einmal seinen Sinn für Humor schätzte? Bestimmt gab es noch andere Gefährtinnen auf der Welt. Er musste einfach eine finden, die besser zu ihm passte und die Leere in seinem Leben auszufüllen vermochte.
Peter ging in die Küche und nahm Brot, Eier und eine Honigmelone aus dem Kühlschrank. Wieso sollte er sich einer Frau aufdrängen, die nicht wollte, dass sich ihr jemand aufdrängte? Warum sollte er sich an Mauern, die die legendären Mauern von Babylon weit in den Schatten stellten, eine blutige Nase holen?
Seine Eltern würden demnächst ihren vierzigsten Hochzeitstag feiern, und sie sahen einander immer noch verliebt an und konnten nicht voneinander lassen. Das war es, was Peter wollte, nicht irgendein Frauenzimmer, das lieber mit Autos als mit Menschen zusammen war.
Er gab die Rühreier auf einen Teller, aß mechanisch sein Frühstück und fuhr durch den grauen Nieselregen zur Arbeit. Consuela interpretierte seine Stimmung absolut richtig und wünschte ihm weder einen guten Morgen noch fragte sie ihn, warum er keine Doughnuts besorgt oder ob er inzwischen irgendwelche Eingebungen bezüglich des Super Bowl hatte. Stattdessen fiel ihr wieder ein, dass sie wegen Manny Shorr unbedingt der Gerichtsmedizin einen Besuch abstatten musste, und sah zu, dass sie aus dem Büro kam.
Peter zog seinen Regenmantel und sein Jackett aus, legte die Füße auf den Schreibtisch und starrte die Wand an, wo ihre gesammelten Informationen über den Uzi-Schützen hingen. Aber er nahm nichts wahr. Seine Stimmung war immer noch auf dem Tiefpunkt, als Consuela eine Stunde später zurückkam und sich so leise und unauffällig wie möglich an ihren Platz setzte.
»Siehst du schon irgendein Muster?«, fragte sie ihn.
»Nein«, knurrte Peter, und das war ihre gesamte Unterhaltung während der nächsten Stunde.
Sogar als sie zum South Market Area gerufen wurden, um einen fehlgeschlagenen Selbstmord zu untersuchen, konnte er nicht aufhören, an Mallory zu denken, führte im Stillen Streitgespräche mit ihr, verfluchte sie dafür, die Dinge so zu verkomplizieren. Während Consuela die grauhaarige, zarte alte Dame verhörte, die versucht hatte, sich gemeinsam mit ihrem Mann, mit dem sie seit einundfünfzig Jahren verheiratet war, das Leben zu nehmen, beschloss Peter, dass Mallory Atkinson es einfach nicht wert war. Eines Tages würde er eine andere Frau finden, die besser zu ihm passte, und diese Frau würde er heiraten. Ms. Atkinson konnte ihren Werkzeugkasten mit ins Grab nehmen, wenn es nach ihm ging.
Leider erreichte diese Botschaft weder sein Unterbewusstsein noch seine Zukunftsvisionen. In der folgenden Nacht träumte er erneut von Mallory, die ganze Nacht hindurch. Noch nie hatte er einen solchen Traum gehabt. Die ganze Zeit über schienen sie beide in goldenes Licht getaucht zu sein, das sie umhüllte und sich schützend um sie legte, sobald ein Anflug von Panik in Mallorys blassgrünen Augen aufflackerte oder irgendein Zweifel ihn beschlich. Er hatte noch nie so eine Freude, so eine Leidenschaft und Harmonie erlebt.
Während sie sich liebten, spürte er eine solche Erfüllung – nicht nur eine körperliche, sondern auch eine gefühlsmäßige – , wie er es nicht für möglich gehalten hatte. Es war unglaublich!
Als er am nächsten Morgen aufwachte, beschloss er, Mallory und dem Schicksal noch eine Chance einzuräumen.
Der Samstag präsentierte sich der Welt, wie es sich für einen Samstag
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