Die Klassefrau
gehört: mit strahlendem Sonnenschein, mit einem wolkenlosen Himmel und klarer, kalter Luft. Schließlich war immer noch Januar. Peter zog Jeans, bequeme Halbschuhe und einen blauen Wollpullover an, stürzte ein Glas Milch zum Frühstück hinunter und wollte gerade nach seinem Jackett und seinen Schlüsseln greifen, als das Telefon klingelte. Seufzend nahm er den Hörer ab.
»Hallo, Mom«, sagte er.
»Wie machst du das nur?«, fragte seine Mutter.
»Ich bin Hellseher, schon vergessen?«
»O ja, richtig. Es ist so irritierend. Aber wo wir gerade beim Thema sind … Peter, weißt du, welcher Tag heute ist?«
»Samstag, der 11 . Januar.«
»Sehr gut, Peter. Und weißt du auch noch, wann du das letzte Mal deine Eltern besucht hast, die jeden Tag älter werden?«
»Hm -«
»Ich gebe dir einen Hinweis: Weihnachten war es nicht. Da musstest du arbeiten. Geh ein klein wenig weiter zurück. Wie wäre es mit Thanksgiving? Nein, nein, da musstest du auch arbeiten! Mal sehen … Halloween?«
»Ich musste arbeiten, Mom.«
»Du musst immer arbeiten, mein Lieber. Ich weiß, wann wir dich das letzte Mal zu Gesicht bekommen haben … im September! Du bist zum Abendessen gekommen und wurdest über deinen Piepser zu irgendeinem grässlichen Mordfall gerufen, in dem du ermitteln solltest. Peter, Liebling, weißt du, dass wir in derselben Stadt wohnen und uns in den vergangenen fünf Monaten nicht länger als dreißig Minuten gesehen haben?«
»Mom, es tut mir wirklich Leid, ich habe einfach so viel -«
»- zu tun, ja, mein Lieber, ich weiß. Du arbeitest wie ein Verrückter. Aber was dein Vater und ich gern wissen würden – natürlich nur unter uns – ist, warum du das tust? Weil bewegliche Ziele schwerer zu treffen sind? Weil du glaubst, du kannst Freundschaften, Liebe, Lebenslust, Beziehungen, Kindern aus dem Weg gehen, wenn du dich schneller bewegst als sie?«
Peter verstummte. »Äh … Mom -«
»Denk darüber nach, Schatz. Bis dann.«
Peter starrte den Hörer einen Moment an. »Ich bin kein bewegliches Ziel, und ich bemühe mich nach Kräften um eine Heirat, so viel zu diesem Thema«, sagte er und knallte den Hörer auf die Gabel.
Er machte sich erneut auf die Suche nach seinen Schlüsseln und stieß auf seine Dienstmarke. Automatisch steckte er sie in die Tasche, ehe er innehielt. Wann hatte er das letzte Mal einen Samstag nicht im Büro verbracht? Hm. Entschlossen schob er diesen unliebsamen Gedanken beiseite, nahm stattdessen die Schlüssel und ging hinaus, um sich seinem Schicksal erneut zu stellen.
Und dieses Mal wusste er, wie es aussah.
Das Problem war nur, dass sein Schicksal ebenfalls wusste, wie er aussah, und dieser Anblick schien Mallory bisher nicht gefallen zu haben. Nach dem verpatzten Mittagessen am Donnerstag machte sie vielleicht eine Ausnahme und ging mit ihm frühstücken, wenn er vor ihrer Tür erschien. Nein, eher nicht, das wäre zu simpel für die schwierige Ms. Atkinson, da musste er sich schon etwas Besseres einfallen lassen. Ein zufälliges Treffen zum Beispiel. Er musste sie nur bei ihren Samstagsbeschäftigungen, woraus auch immer sie bestanden, beschatten und dann ganz zufällig mit ihr zusammenstoßen … und zwar möglichst heftig.
Natürlich wusste sie auch, wie sein BMW aussah. Aber er war schließlich Polizist und verdiente seinen Lebensunterhalt mit diesen Dingen. Wenn sie ihn beim Beschatten erwischte, würde er seine Dienstmarke freiwillig zurückgeben.
Mallory Atkinson wohnte in der Dolores Street in der Nähe der 21 . Straße. Ihr viktorianisches Haus war das kleinste und bunteste des Wohnblocks und erinnerte ihn an ein frisch gestrichenes Lebkuchenhaus. Blau, purpurrot, weiß … Peter konnte kaum die Farben zählen, die sich zu einem lebendigen Ganzen fügten. Der Anstrich ihrer Garagentür erinnerte an eine viktorianische Rosentapete, während die Eingangstür aus Eichenholz eher der eindrucksvollen Besitzerin glich. Der auf Hochglanz polierte Löwenkopf des Türklopfers schimmerte im Sonnenlicht.
Peter betrachtete die sorgfältig gepflegten und in allen Farben leuchtenden Blumenbeete im Vordergarten, den Zitronenbaum in der Mitte des Rasens, der immer noch riesige Früchte trug, und den üblichen Briefkasten neben dem Bürgersteig, der knallrot gestrichen war.
Das Haus der ansonsten höchst wortkargen Mallory sagte allerlei über sie aus.
Er musste eine Stunde auf das Erscheinen der zukünftigen Liebe seines Lebens warten, und auch dann sah er nur ihr Auto und
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