Die Klassefrau
hatte, hatte er einen Job, aber kein Leben, und dieser Job belegte ihn voll mit Beschlag, ja, er drohte ihn förmlich zu absorbieren. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass er vierzehn und manchmal sogar sechzehn Stunden pro Tag damit zubrachte. Er hatte nicht gemerkt, wie er sich innerlich immer mehr verhärtete, um seine tägliche Routine zu ertragen. Er hatte nicht gemerkt, dass er in Wahrheit gar nicht richtig lebte.
Bis er Mallory begegnet war.
Trotz ihrer Schutzmauern und ihrer scharfen Zunge war sie das sprühende Leben – ein schönes, erfülltes und großzügiges Leben, und er schwor sich, dass er sie erobern würde, und wenn er jeden Dämon, der sie verfolgte, eigenhändig töten musste. Denn irgendetwas verfolgte sie, daran bestand kein Zweifel. In diesem Kuss, der eine bessere Bezeichnung verdient hatte, war zu spüren gewesen, dass sie sich nach einem richtigen Leben sehnte und ebenfalls wusste, wie richtig sich all das zwischen ihnen anfühlte. Aber er hatte auch ihre innere Angst und ihren Widerwillen gegen jede Art von Bindung gespürt.
Dass sie ihn geküsst hatte, war ein reines Wunder. Dass sie zugestimmt hatte, mit ihm essen zu gehen, war ebenfalls ein Geschenk, das er nicht richtig einzuschätzen vermochte.
Er würde diese bemerkenswerte Gelegenheit nicht vermasseln. Nein, ganz bestimmt nicht. Gierig sog er ihren Anblick auf: ihr ernstes Gesicht, die wachsamen grünen Augen, ihre verschränkten Arme vor ihm auf dem Tisch, die gewissermaßen einen Brustpanzer vor seinem Blick darstellten. Sie hatte sich wieder nach Fort Knox zurückgezogen, aber in den erst sieben Tagen, die sie sich kannten, hatte er gelernt, dass es einen Schlüssel gab, mit dem sie sich aus ihrer Festung locken ließ: Lachen. Mallory Atkinson war eine junge Dame, die viel zu wenig lachte. Sie tat es aber genauso gern und brauchte es genauso sehr wie er, und es war ein Glück, dass er ihr das geben konnte, ohne befürchten zu müssen, dass sein Geschenk ungeöffnet zurückgeschickt wurde.
»Los, komm schon raus, wo auch immer du dich verkrochen hast«, schmunzelte er im Stillen.
»Hast du etwas gesagt?«, fragte Mallory.
»Können wir bestellen?«, antwortete Peter leichthin.
»Klar«, murmelte sie.
Er rief die Kellnerin. »Wie wäre es, alles zu teilen, was wir bestellen?«, fragte er.
Sie warf ihm zwar einen Blick zu, als wäre allein schon der Gedanke gefährlich, eine chinesische Vorspeise mit ihm zu teilen. Aber sie zuckte die Achseln. »Okay. Ich nehme Rindfleischspieße als Vorspeise, dann die Wan-Tan-Suppe, Meeresfrüchte Go Bah und das Hühnchen in Pflaumensoße.«
Peter starrte sie an. Sie hatte gerade eins seiner Lieblingsmenüs bestellt. »Ah, ich nehme die vegetarischen Frühlingsrollen als Vorspeise, die süßsaure Suppe, das Schweinefleisch Muh Su und das Gemüse Kung Bao.«
»Also, Drake, was soll das werden?«, fragte Mallory, als die Kellnerin ihre Speisekarten an sich genommen hatte und verschwand. »Woher wusstest du, dass das mein Lieblingsgericht ist?«
Peter grinste, als er Mallorys misstrauischem Blick begegnete. Sie hatten denselben Geschmack! Sehr viel versprechend. »Ich könnte sterben für das Gemüse Kung Bao«, erklärte er. »Die köstlichen grünen Erbsen, die Shitake-Pilze, der knusprige Broccoli auf einem Berg Reis. Ein Traum!«
Ein widerstrebendes Lächeln umspielte ihren breiten Mund.
»Und woher wusstest du, dass ich für mein Leben gern Hühnchen in Pflaumensoße esse?«, fragte er.
»Das habe ich gar nicht!«
»Aha! Ich wusste doch, dass wir perfekt zueinander passen.«
»Gern dieselben Dinge zu essen bedeutet noch gar nichts, Drake.«
»Wetten, dass du das in einem Glückskeks gelesen hast?«
»Willst du etwa meine Lebensphilosophie beleidigen?«
»Ich denke nicht daran. Ich bin ein Mann des einundzwanzigsten Jahrhunderts und habe für Beleidigungen nicht viel übrig. Meine Stärke liegt eher darin, mich über die Dinge lustig zu machen.«
Sie lachte und der misstrauische Ausdruck ließ ein wenig nach. »Wenn du auch nur ansatzweise ein Mann des einundzwanzigsten Jahrhunderts sein willst, hast du noch einen langen Weg vor dir.«
»Ich weiß«, sagte er zerknirscht. »Was ich brauche, ist eine starke Frau an meiner Seite, die mir den richtigen Weg zeigt, und mich dort hält, wenn nötig mit vorgehaltener Pistole. Und wenn sie dann auch noch den kleinsten Schluckauf meines Wagens kostenlos repariert, ist ihr meine lebenslange Liebe sicher.«
»Ich wusste doch, dass es
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