Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)
heruntergekommenen Hauses in Berlin-Marzahn, das der Mutter und dem Stiefvater des Tatverdächtigen gehört.
Die Kriminalbeamten finden unfassbar verdreckte und zugemüllte Räume vor. Der Teppich im vorderen Zimmer ist mit Hundekot verschmutzt. In der Küche ist die Spüle mit Schimmel bedeckt, und im Mülleimer wimmelt es von Maden. Überall liegen leere Einwegflaschen und Fastfood-Verpackungen herum.
Der einzige Ort in der düsteren Behausung, der einen halbwegs gepflegten Eindruck macht, ist ein wackliger Computertisch mit einem uralten PC darauf. Der Computer ist im Stand-by-Betrieb. Als Oberkommissar Peters auf eine Taste drückt, wird der Bildschirm hell, und der Apparat erwacht surrend zum Leben. Auf dem Monitor erscheint der Schriftzug Call of Duty.
»Schau dir das an«, sagt Peters zu seinem Kollegen. »Unser Kevin ist ein Ballerspiel-Freak.« Um den Tisch herum liegen die Hüllen zahlreicher weiterer Computerspiele auf dem Boden. Die martialischen Cover lassen keinen Zweifel daran, worum es in diesen Spielen geht.
Weder Peters noch Drechsler sind besonders erstaunt über diese Entdeckung. Doch bei dem Fund, den sie kurz darauf im Schlafzimmerschrank machen, verschlägt es sogar dem erfahrenen Hauptkommissar für einen Augenblick die Sprache.
Kevin Ferber nennt eine umfangreiche Sammlung an getragener Damenunterwäsche sein Eigen. Unzählige Slips in allen Farben, Größen und Designs. Dutzende Büstenhalter und Unmengen an Damenstrumpfhosen.
»Ein Fetischist ist er also auch noch?«, ruft Oberkommissar Peters aus. »Der Kerl sieht aus, als könnte er nicht bis drei zählen – dabei hat er es faustdick hinter den Ohren!«
Hauptkommissar Drechsler ahnt, worauf sein Kollege hinauswill. Im ersten Moment hat auch er sich gefragt, ob sie womöglich einem Serien-Sextäter auf die Spur gekommen sind – einem Verrückten, der jedes Mal die Unterwäsche seines Opfers als Trophäe mitnimmt. Dieses Verhalten wäre in der Tat typisch für einen Serien-Sextäter mit fetischistischen Neigungen. Aber Kevin Ferber verfügt bei weitem nicht über die Intelligenz, Kaltblütigkeit und Weitsicht, die diesen Tätertyp auszeichnet.
Bei der Befragung der Recyclinghof-Mitarbeiter haben die Kriminalbeamten von den Einbrüchen im Umkleidebereich erfahren. Außer Geld und Schmuckgegenständen wurde mehrfach auch Damenunterwäsche aus den Spinden der Mitarbeiterinnen gestohlen. Diese Art von Delikten, sagt sich Drechsler, entspricht sehr viel eher der Kragenweite unseres Tatverdächtigen.
Kevin Ferber ist wegen diverser Einbruchdiebstähle seit Jahren polizei- und gerichtsbekannt. Wegen Einbruchs in zwei besonders schweren Fällen wurde er zu einer Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt, die er vor drei Jahren in der Berliner Haftanstalt Plötzensee verbüßt hat.
»Gut möglich, dass auch die aufgebrochenen Spinde im Recyclinghof auf Ferbers Konto gehen«, lässt der Hauptkommissar schließlich Peters an seinen Überlegungen teilhaben. »Und den Rest seiner imposanten Sammlung hat er vermutlich bei weiteren Einbrüchen zusammengeklaut. Aber wenn das Schwurgericht ihn wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung verurteilt, spielt die geklaute Wäsche auch keine Rolle mehr.«
Obwohl es sich laut polizeilicher Zählung immerhin um 162 Slips, 92 BHs und 36 Strumpfhosen handelt. Bei einer weiteren Vernehmung wird Kevin Ferber behaupten, die Wäsche habe er in Müllcontainern auf dem Recyclinghof gefunden und mitgenommen, um sie bei eBay zu verkaufen.
In der JVA Moabit wird der Tatverdächtige von meinem Kollegen Dr. Hans Hoppedahl rechtsmedizinisch untersucht. Auch während dieser Prozedur zeigt er sich ruhig und kooperativ.
Dr. Hoppedahl stellt fest, dass Ferber weder im Gesicht noch am Körper äußere Verletzungen aufweist. Nur an den Knien registriert er eine Hautschuppung und -rötung, wie sie beim Hinknien entsteht.
Kevin Ferber ist Rechtshänder. Die Wunde am rechten Ringfinger hat er sich nach eigenen Angaben am fraglichen Tag zugezogen, als er den verhedderten Draht vom Rad des Gabelstaplers lösen wollte.
Auch am kleinen Finger der rechten Hand weist er einen Schnitt auf. Diese Verletzung, führt Dr. Hoppedahl in seinem Gutachten aus, ist typisch für ein Abgleiten vom Messergriff beim Zustechen, insbesondere wenn die Messerklinge abrupt auf derbe Strukturen trifft.
Bei den besagten Strukturen handelte es sich im vorliegenden Fall um die achte Rippe unmittelbar neben der Wirbelsäule von Nadine
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