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Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Titel: Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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seinem Schlussplädoyer ändert der Staatsanwalt daraufhin seine Einschätzung: Anstelle von »Mord wegen Grausamkeit« wirft er dem Angeklagten nur noch Totschlag vor und verlangt zehn Jahre und sechs Monate Haft.
    Die Absicht, das Opfer zu quälen, war Hank Burren trotz umfangreicher Ermittlungen nicht nachzuweisen. Auch wenn Burren sein Opfer mit – so der Staatsanwalt wörtlich – »unfassbarer Brutalität« und »absolutem Vernichtungswillen« getötet hat, lässt sich nicht ausschließen, dass er durch die Beilhiebe auf den Kopf seines Opfers »nur« dessen schnellen Tod herbeiführen wollte.
    Aus Mangel an Beweisen kann der Hauptangeklagte folglich nicht wegen Mordes aus Grausamkeit verurteilt werden – und Lara Rossbach kommt sogar fast ungeschoren davon.
    Vor Gericht tritt die junge Frau als »Unschuld vom Lande« auf – ohne Piercings, ohne sichtbare Tätowierungen, in weißer Bluse und schwarzer Weste, die Haare naturblond und zu einem sittsamen Dutt gebunden. Das Gericht stellt das Verfahren gegen sie ein und verhängt lediglich eine Geldbuße von tausend Euro. Im Gegenzug verzichtet Lara Rossbach auf Entschädigung für die gut fünf Monate, die sie in Untersuchungshaft verbracht hat.

    Hank Burren wird schließlich wegen Totschlags zu zehneinhalb Jahren Haft und zu vorheriger zweijähriger Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt. »Dass der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz gegen sein Opfer vorgegangen ist«, führt das Gericht in der Urteilsbegründung aus, »folgt bereits aus der Tatausführung selbst. Anzahl und Wucht der Beilhiebe zeigen den absoluten Vernichtungswillen des Angeklagten. Dagegen konnte […] nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte einen Mord begangen hat, indem er sein Opfer grausam tötete. Im vorliegenden Fall konnte die Kammer nicht ausschließen, dass das Opfer bereits nach der ersten Schlageinwirkung bewusstlos geworden ist und dementsprechend die weiteren Beilhiebe nicht mehr wahrgenommen hat.«
    »Im Zweifel für den Angeklagten«: Auch beim Tötungsdelikt an Leon Feldgärtner kommt das rechtsstaatliche Prinzip zum Tragen. Und zu den Rechtsstaatsprinzipien zählt eben auch die Unabhängigkeit der Rechtsmedizin, die einzig der Wahrheit und den nachweisbaren Fakten verpflichtet ist.
    Das gilt auch in einem Fall wie diesem, in dem zumindest für Laien kaum nachvollziehbar ist, dass die extrem brutale und unbarmherzige Tötung eines unschuldigen Opfers nicht das Mordmerkmal der Grausamkeit erfüllt.

Ein mörderisches Phantom
    W ie an jedem Werktagmorgen steht Torsten Pätzold um zehn nach sechs an der Bushaltestelle in Weddingsdorf. Es ist Anfang Dezember, der beschauliche kleine Ort liegt noch im Schlaf.
    Frierend hält der junge Mann Ausschau nach dem Bus. Doch an diesem Tag wird er seine Arbeitsstelle in der nahen Kleinstadt Sanden erst mit einiger Verspätung erreichen.
    Aus der Boutique auf der anderen Straßenseite kommt eine Gestalt hervorgetaumelt. Im matten Licht der Straßenlaterne kann Pätzold sie nicht genau erkennen. So glaubt er zunächst, dass er einen Obdachlosen in zerlumpter Kleidung vor sich hätte. Doch dann wird ihm klar, dass es eine hochgewachsene Frau mittleren Alters ist, die über die Straße auf ihn zustolpert. Der Mantel, den sie anscheinend in aller Eile übergeworfen hat, rutscht ihr fast von den Schultern. Darunter trägt sie nur ein paar zerfetzte Wäschestücke.
    »Hilfe!«, stammelt die Frau und starrt Pätzold verstört an. Ein durchdringender Brandgeruch geht von ihr aus. »Er hätte mich fast umgebracht!«, fährt sie fort. »Als ich zu mir gekommen bin …«
    Sie spricht stockend und ist nur mit Mühe zu verstehen. Als sie sich zu dem Geschäft umwendet, aus dem sie eben gekommen ist, folgt Torsten Pätzold ihrem Blick. Und da wird ihm klar, was es mit dem Geruch im Mantel der Frau auf sich hat: Hinter den Schaufenstern auf der anderen Straßenseite zucken Flammen.
    »Er hat meine Boutique angezündet!«, schreit die Frau. »Hilfe!«
    Torsten Pätzold zieht sein Handy aus der Manteltasche und wählt die 112.

    Keine zehn Minuten später treffen zwei Löschzüge der Feuerwehr ein. Uniformierte Polizeikräfte sperren die Straße ab und sichern das Gelände. Mehrere Rettungswagen stehen bereit, um Verletzte in die städtische Klinik von Sanden zu bringen.
    Die Schaufenster des kleinen Ladens sind mittlerweile wegen der Hitze geborsten. Flammen schlagen zwischen den gezackten Scherben hervor. Der Name der

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