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Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Titel: Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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Unterkiefer und Schädel«, führen wir weiter aus, »kann auch der Einsatz des Hammers nicht ausgeschlossen werden.«
    Doch die Übereinstimmungen reichen nicht aus, um einzelne Verletzungen eindeutig einem der untersuchten Werkzeuge zuzuordnen.

    Auf Antrag ihres Verteidigers Dr. Glasig wird Lara Rossbach Ende Januar 2012 aus der Untersuchungshaft entlassen. Sie kehrt Berlin den Rücken und zieht wieder in ihr Elternhaus in der niedersächsischen Provinz.
    Sein Bauchgefühl sagt Hauptkommissar Wittig jedoch weiterhin, dass die junge Frau zumindest an der Zerstückelung der Leiche beteiligt war. Auch die Staatsanwaltschaft hält daran fest, Lara Rossbach wegen »Strafvereitelung bei Mord« als Mittäterin anzuklagen. Aber dieser Teil der Anklage steht auf wackligen Füßen, da es nicht gelungen ist, ihr über das »Entsorgen« des Kopfes und die Tatortreinigung hinaus eine aktive Tatbeteiligung nachzuweisen.
    Dem Hauptangeklagten Hank Burren wirft die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift »Mord aus Grausamkeit« vor. »Mit ein bis zwei Schlägen am Anfang mit dem Beil ins Gesicht des Opfers spaltete der Angeklagte zu Lebzeiten des Opfers dessen Ober- und Unterkiefer und den Gaumen, um ihm dadurch körperliche Qualen zuzufügen, die nach Stärke und Dauer weit über das zur Tötung erforderliche Maß hinausgingen und zu einer äußerst massiven Blutaspiration in beide Lungenflügel führten«, heißt es in der Anklageschrift.
    Die Staatsanwaltschaft und die Kriminalbeamten sind überzeugt davon, dass es sich so und nicht anders verhalten hat. Doch auch in diesem entscheidenden Punkt fehlt noch bei Prozessbeginn ein belastbarer Beweis: Unsere rechtsmedizinischen Untersuchungen haben in dieser Hinsicht keine verwertbaren Resultate erbracht. Und Hank Burren leugnet beharrlich, Feldgärtner aus Grausamkeit getötet zu haben.

    Der Prozess gegen Hank Burren und Lara Rossbach beginnt im April 2012 und ist auf vier Verhandlungstage angesetzt.
    Der psychiatrische Sachverständige bescheinigt dem Angeklagten eine zur Tatzeit verminderte Schuldfähigkeit: Die Rückrechnung aufgrund der Trinkmengenangaben ergebe, dass Burren am Abend des 5. Juli einen Blutalkoholwert von knapp drei Promille aufgewiesen habe. Seine Schuldfähigkeit sei jedoch nicht aufgehoben gewesen: Schließlich sei er starken Alkoholkonsum gewöhnt und habe nach der Tat strukturiert und planvoll gehandelt.
    Der psychiatrische Sachverständige skizziert auch den biographischen Hintergrund des Angeklagten. Hanks Vater war ein ehemaliger Vietnamsoldat, der sich selbst und seine Familie zeitweise als Drogendealer durchbrachte. Er war gewalttätig, auch gegenüber seiner Frau und seinem kleinen Sohn. Als Hank neun Jahre alt war, trennten sich seine Eltern. Etwa drei Jahre lang lebte er mit seiner Mutter allein, bis diese einen neuen Partner fand. Mit seinem Stiefvater verstand sich Hank gut. In der Schule hatte er zunächst keine Schwierigkeiten, im Gegenteil: Er nahm an einem Programm für Hochbegabte teil, das er jedoch abbrechen musste, als seine Familie in einen anderen Stadtteil zog. Ab der sechsten Klasse schwänzte er immer häufiger die Schule und schloss sich stattdessen Street-Gangs an. Mit 13 Jahren begann er zu trinken, trieb sich wochenlang herum. Nach einer Anzeige wegen Körperverletzung kam er in Jugendarrest – und von da an bestand sein Leben, mit wenigen Unterbrechungen, fast nur noch aus Alkoholmissbrauch und Körperverletzungsdelikten.
    Von seinem Anwalt lässt Hank Burren vor Gericht einen Brief an Leon Feldgärtners Familie verlesen. »Ich kann mir nicht erklären, warum ich Leon getötet habe«, beteuert er darin. »Ich habe ein teuflisches Alkoholproblem und war an jenem Abend stark betrunken. Ich bitte Leons Angehörige um Vergebung.«
    Als rechtsmedizinische Sachverständige erläutern Dr. Lilienthal und ich am dritten Verhandlungstag unsere Obduktions-, Blutspuren- und Werkzeuggutachten. Der Staatsanwalt stellt mir schließlich die für seine Anklage letztlich entscheidende Frage: »Ist es möglich, dass Leon Feldgärtner bereits bei der ersten ihm zugefügten Verletzung das Bewusstsein verloren hat?«
    »Die Reihenfolge der bei Lebzeiten zugefügten Verletzungen lässt sich retrospektiv nicht mehr feststellen«, antworte ich. »Daher ist nicht auszuschließen, dass die Zertrümmerung von Ober- und Unterkiefer, die zur Blutaspiration mit Bewusstseinsverlust geführt hat, die erste dem Opfer zugefügte Verletzung war.«
    In

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