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Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Titel: Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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mager.
    Sie glaube nicht, dass der Mann vorher schon einmal in ihrem Laden gewesen sei, sagt Verena Falk. Ausschließen könne sie das aber nicht. In letzter Zeit seien öfter mal »Leute zum Geldwechseln und all so was« in ihre Boutique gekommen, doch sie könne keine dieser Personen beschreiben.
    Wieder lacht sie unvermittelt auf. »Keine Ahnung, leider«, sagt sie. »Aber tja, eigentlich war es im Laden sowieso noch dunkel. Kann also gut sein, dass er vorher schon mal da war und ich ihn nur nicht wiedererkannt habe.«
    Ob der Mann irgendwie auffällig gesprochen habe, will Hellmann von ihr wissen. »Erinnern Sie sich an einen Dialekt oder an spezielle Redensarten, die er gebraucht hat?«
    Verena Falk schüttelt den Kopf.
    »Was ist mit Gerüchen?«, fragt Hellmann. »Er ist Ihnen doch ziemlich nahe gekommen.«
    Der Mann habe sehr stark nach Schweiß gerochen, antwortet sie prompt. »Und nach Knoblauch«, fügt sie nach kurzem Überlegen hinzu.
    Er habe eine dunkle Jeans getragen und eine schwarze Lederjacke, antwortet sie auf weitere Fragen von Hellmann. Was er darunter getragen hat, könne sie nicht sagen.
    An das Aussehen seiner Schuhe erinnert sie sich auch nicht. Ebenso wenig an eine Manschette, ein Armband oder eine Uhr am Gelenk der Hand, in der er das Messer hielt.
    Ein ungewöhnliches Detail fällt ihr dann doch noch ein. »Er hatte solche witzigen Handschuhe an«, sagt Verena Falk. »Eigentlich eher Damenhandschuhe, lila und aus Fleece. Deshalb weiß ich auch, dass er relativ kleine Hände hatte. Das war irgendwie witzig.«
    Witzig?, wiederholt der Kriminaloberkommissar im Stillen. Aber er behält sein Befremden für sich. Ob sie sich erinnern könne, wie die Unterhose des Täters ausgesehen habe, fragt er stattdessen.
    Verena Falk verneint. Dass er seine Hose öffnete, habe sie mehr gehört als gesehen.
    Auch sein Geschlechtsteil kann sie nicht beschreiben. »Ich habe dabei nur an die Decke gestarrt«, sagt sie.
    »Und als er Ihnen Gewalt antun wollte«, hakt Hellmann nach, »haben Sie sich da denn gewehrt?«
    Wieder schüttelt sie den Kopf. »Ich hatte viel zu viel Angst. Er wollte mich vergewaltigen. Und er hat andauernd mit dem Messer an mir herumgekratzt. Als er dann von mir abgelassen hat, habe ich daraus abgeleitet, dass es bei ihm zu keiner Erektion gekommen ist.« Wieder lacht sie unvermittelt auf. »Nein, ich weiß nicht, keine Ahnung.«
    Hellmann klappt seinen Notizblock zu und verabschiedet sich von Verena Falk.
    Wir suchen also einen dunkel gekleideten, mittelgroßen Mann mit relativ kleinen Händen und lilafarbenen Damenhandschuhen, der nach Schweiß und Knoblauch riecht, fasst er seine Erkenntnisse zusammen, während er zurück zu seiner Dienststelle im Zentrum von Sanden fährt.

    Währenddessen hat der Staatsanwalt auf Anweisung seiner Vorgesetzten eine 18-köpfige Sonderkommission zusammengestellt. Nicht nur Beamte des Landeskriminalamts gehören zur »Soko Phantom«, auch Psychologen und Fallanalytiker der Polizei. Diese sogenannten Profiler versuchen fieberhaft, anhand des Verhaltens, das der Täter seinem Opfer gegenüber und am Tatort an den Tag gelegt hat, Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu ziehen und damit möglicherweise weitere Ansatzpunkte für die Ermittlungen zu finden. Die ersten regionalen Medien berichten in Sondersendungen und Extraausgaben von dem »maskierten Feuerteufel« und »gemeingefährlichen Triebtäter« und fordern seine sofortige Verhaftung. In dem kleinen Ort herrscht der Ausnahmezustand.
    Aber wie soll man ein Phantom aufspüren und verhaften, das kein Gesicht und keinen Namen hat?
    Am späten Nachmittag desselben Tages rufe ich Kriminaloberkommissar Hellmann wegen eines anderen Falls auf seiner Dienststelle an. Ich berichte ihm, was die toxikologische Untersuchung der Leiche eines bisher nicht identifizierten Mannes ergeben hat, den ich drei Wochen zuvor obduziert hatte. Während unseres Gesprächs merke ich schnell, dass Hellmann nicht bei der Sache ist.
    Ich frage ihn, ob er in Gedanken bei einem anderen Fall sei, und er bejaht. Das mysteriöse Verbrechen, das sich am frühen Morgen ereignet hat, bindet alle Kräfte. Auch ich habe über die Medien bereits von dem spektakulären Fall gehört, und so kommen wir relativ schnell auf das »Phantom von Sanden« zu sprechen.
    »Er hat versucht, sie zu vergewaltigen. Dabei hat er sie mit seinem Messer verletzt. Sie hat Schnittwunden an der Brust und am Oberschenkel. Die Boutique stand schon in Flammen,

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