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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ich protestiere gegen jede andere Interpretation, die über die hiermit gezogenen Grenzen hinausgeht.«
    »Aber darin sind wir doch einig, mein lieber Kommandeur, daß der Gedanke, Celeste diesem la Peyrade zu geben, etwas anderes ist als ein Mangel an Lebensart? Das ist gleichzeitig eine unschickliche und eine unmoralische Sache; denn bei diesen galanten Beziehungen zwischen dem Advokaten und Frau Colleville ...«
    »Herr Bürgermeister,« unterbrach ihn Phellion mit verdoppelter Feierlichkeit, »der Gesetzgeber Solon wollte keine Strafe für den Vatermord festsetzen, weil er ein solches Verbrechen für undenkbar hielt. Ich glaube, ebenso verhält es sich mit der Verirrung, auf die Sie anzuspielen scheinen. Frau Colleville sollte Herrn de la Peyrade Entgegenkommen beweisen und gleichzeitig daran denken, ihm ihre Tochter zu geben – nein, mein Herr, nein, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Wenn sie vom Gerichtshof hierüber befragt wäre, würde Frau Colleville wie Marie-Antoinette antworten: ›Ich rufe alle Mütter zu Zeugen an!‹«
    »Trotzdem wirst du mir gestatten, Dir zu sagen, mein Lieber, daß Frau Colleville eine außerordentlich leichtfertige Person ist, und daß sie davon genugsam hübsche Proben gegeben hat.«
    »Machen wir diesem Gespräch ein Ende, meine Liebe,« sagte Phellion, »außerdem ruft uns unsere Essensstunde nach Hause, und ich finde, daß wir unsere Unterhaltung allmählich in den unsauberen Sumpf des Klatschens haben gleiten lassen.«
    »Sie sind noch voller Illusionen, mein lieber Kommandeur,« sagte Minard und reichte Phellion die Hand, »aber es sind achtungswerte Illusionen, die ich respektiere und um die ich Sie beneide. – Verehrte Frau, ich habe die Ehre ...« bemerkte der Bürgermeister und empfahl sich respektvoll von Frau Phellion.
    Dann entfernten sie sich, jeder nach seiner Seite.
    Die Informationen des Bürgermeisters des elften Bezirks waren ganz richtig. Im Salon Thuillier hob sich seit der Übersiedelung in das Madeleineviertel zwischen der geldgierigen Brigitte und der immer klagenden Frau Thuillier das Antlitz einer verführerischen graziösen Frau hervor, die diesem Salon den Charakter einer gänzlich unerwarteten Eleganz verlieh.

Es war durchaus richtig, daß durch die Vermittlung dieser Frau, die ihre Mieterin geworden war, Brigitte mit dem Möbelkauf eine nicht weniger glückliche, aber viel weniger anfechtbare Spekulation gemacht hatte als mit dem Erwerb des prachtvollen Grundstücks. Für sechstausend Franken gelangte sie in den Besitz eines eben aus den Werkstätten des Fabrikanten hervorgegangenen Mobiliars, das einen Wert von mindestens dreißigtausend Franken repräsentierte.
    Es war auch richtig, daß auf Grund einer Dienstleistung, die einen so tiefen Eindruck auf sie machen mußte, die alte Jungfer der schönen Fremden ein starkes Gefühl respektvoller Ehrerbietung entgegenbrachte, wie es die Bourgeoisie gegenüber dem Adelstitel und den hohen Stellungen innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchie weit mehr, als man denkt, empfindet. Da die ungarische Gräfin eine Dame von sicherem Takt und feinster Erziehung war, hatte sie, als sie es für angemessen hielt, im Hause ihrer Schützlinge die Zügel in die Hand zu nehmen, sich wohl gehütet, ihrer Einwirkung die Form einer nörgelnden und lehrhaften Erziehung zu geben. Sie schmeichelte im Gegenteil Brigittes Prätension, als eine musterhafte Hauswirtin zu gelten, und tat, als ob sie für alle Wirtschaftsausgaben ihres eigenen Haushaltes den Rat »Miß« Thuilliers, wie sie sie freundschaftlich zu nennen liebte, nicht entbehren könnte; und indem sie sich ihrerseits die Disposition auf dem Gebiete der großen eigenen Ausgaben und der ihrer Nachbaren vorbehielt, hatte ihr Verhalten vielmehr den Anschein, daß man sich gegenseitig berate, als daß sie ein Protektorat ausübe.
    Eine Täuschung war selbst für la Peyrade nicht mehr möglich: vor der Vertrauensstellung, die die Fremde errungen hatte, war seine eigene in den Hintergrund getreten; aber die Gegnerschaft der Gräfin beschränkte sich nicht allein auf den einfachen Kampf um den größeren Einfluß. Sie hatte sich offen gegen seine Bewerbung um die Hand Celestes erklärt und begünstigte in unzweideutiger Art die Liebe des Professors Felix; Minard, dem diese Begünstigung nicht entgangen war, hatte sich wohl gehütet, unter der Fülle seiner übrigen Aufklärungen, auch diese Beobachtung denen, die sie interessieren mußte, mitzuteilen.
    La

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