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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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schließlich ist doch aber klar, trotz aller Zurückhaltung und, gerade herausgesagt, trotz aller Ungeschicklichkeit, mit der diese Sache behandelt worden ist, daß die beiden jungen Menschen sich lieben und daß es für beide sehr zu beklagen wäre, wenn sie einander nicht angehören könnten; dieses Unheil zu beschwören ist der Zweck meines Schrittes, zu dem ich mich heute morgen entschlossen habe.«
    »Gnädige Frau,« sagte Phellion, »wir können nur tief gerührt sein von dem Interesse, das Sie die Güte haben, für das Glück unseres Kindes zu bezeigen; aber wirklich, dieses Interesse ...«
    »Hat etwas so Unerklärliches,« unterbrach ihn die Gräfin lebhaft, »daß es Sie ein wenig mißtrauisch macht.«
    »Oh, gnädige Frau«, sagte Phellion und verneigte sich protestierend.
    »Mein Gott,« fuhr die Ungarin fort, »die Erklärung meines Vorgehens ist sehr einfach. Ich habe Celeste genau kennen und den sittlichen Wert dieses lieben, harmlosen Kindes so sehr schätzen gelernt, daß ich es tief bedauern würde, sie geopfert zu sehen.«
    »Sicherlich«, sagte Frau Phellion, »ist Celeste ein Engel an Güte.«
    »Was Herrn Felix anlangt, so wage ich, mich für ihn zu interessieren, zunächst weil er der würdige Sohn des tugendreichsten aller Väter ist ...«
    »Aber ich bitte Sie, gnädige Frau!« sagte Phellion und verbeugte sich abermals.
    »Dann aber auch, weil ich diese Schüchternheit der echten Liebe gern habe, die aus allen seinen Handlungen und allen seinen Worten spricht. Wir Frauen empfinden einen unaussprechlichen Reiz, wenn leidenschaftliche Liebe sich in einer Form äußert, bei der wir weder eine Bedrohung, noch eine fehlgeschlagene Hoffnung, noch eine Enttäuschung zu befürchten haben.«
    »Mein Sohn ist in der Tat kein Blender«, sagte Frau Phellion mit einer kaum bemerkbaren Schärfe. »Er ist kein moderner junger Mann.«
    »Aber er besitzt die Eigenschaften, auf die es ankommt,« begann die Gräfin wieder, »und einen Wert, den er selbst nicht kennt, was die höchste Weihe geistiger Überlegenheit bedeutet.«
    »Wirklich, gnädige Frau,« sagte Phellion, »Sie zwingen uns, Dinge mit anzuhören! ...«
    »Die durchaus der Wahrheit entsprechen«, unterbrach ihn die Gräfin. »Ein zweiter Grund, mich für das Glück der jungen Leute zu begeistern, ist, daß ich mich durchaus nicht für den Herrn de la Peyrade begeistere, der ein falscher, geldgieriger Mensch ist. Auf den zugrunde gerichteten Hoffnungen der beiden sucht dieser Mensch seine erfolgreiche Erbschleicherei aufzubauen.«
    »Es ist sicher,« sagte Phellion, »daß bei Herrn de la Peyrade sich dunkle Tiefen finden, in die nur schwer ein Lichtstrahl dringt.«
    »Und da ich selbst unglücklicherweise,« fuhr Frau von Godollo fort, »einen Mann von gleichem Charakter habe, so hat mir schon der Gedanke an die Qualen, denen Celeste durch eine so verhängnisvolle Verbindung ausgeliefert werden würde, um ihrer glücklichen Zukunft willen den dringenden Wunsch, ihr zu helfen, eingegeben, der Ihnen jetzt vielleicht nicht mehr so überraschend erscheinen wird.«
    »Es hätte der triftigen Gründe, die Ihr Vorgehen rechtfertigen, gnädige Frau, gar nicht bedurft,« sagte Phellion; »was aber die Fehler betrifft, durch die Ihre großherzigen Bemühungen gestört worden sind, so muß ich gestehen, daß es, damit wir sie künftighin vermeiden, vielleicht nicht überflüssig wäre, sie uns genauer zu bezeichnen.«
    »Wie lange ist es her,« fragte die Gräfin, »daß jemand von Ihrer Familie sich bei Thuilliers hat sehen lassen?«
    »Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht,« sagte Phellion, »waren wir zuletzt am Sonntage nach dem Einweihungsdiner dort.«
    »Also wohlgezählte vierzehn Tage,« sagte die Ungarin; »und Sie meinen, daß in vierzehn Tagen sich nichts ereignen kann?«
    »O doch, da ja drei glorreiche Tage im Jahre 1830 uns genügt haben, um eine wortbrüchige Dynastie zu stürzen und die Regierung aufzurichten, deren wir uns jetzt zu erfreuen haben.«
    »Da sehen Sie also!« sagte die Gräfin. »Und ist an diesem Abend zwischen Celeste und Ihrem Herrn Sohn nichts vorgefallen?«
    »In der Tat, doch,« antwortete Phellion, »eine sehr unangenehme Diskussion über Felix' religiöse Anschauungen; denn das darf man nicht verschweigen, daß die gute Celeste, die in jedem andern Punkte ein so liebenswürdiges Wesen ist, sich im Kapitel der Frömmigkeit ein wenig fanatisch zeigt.«
    »Ich bin derselben Ansicht,« sagte die Gräfin, »aber sie

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