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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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niemand unersetzlich ist. Und was dann meine Wahl anlangt, so will ich lieber nicht gewählt werden, als mit Hilfe von jemand, der..«
    »Fahre doch fort!« sagte Theodosius, als er sah, wie Thuillier stockte, »oder schweige vielmehr, denn du wirst gleich über deinen Verdacht erröten und mich auf den Knien um Verzeihung bitten.«
    Der Provenzale hatte eingesehen, daß, wenn er sich nicht zu einem Bekenntnis entschlösse, sein Einfluß und seine Zukunftsaussichten, die er zurückerobert hatte, ihm unter den Füßen weggezogen würden.
    Er fuhr also in feierlichem Tone fort: »Du wirst daran denken, daß du unbarmherzig gewesen bist, daß du mich einer Art moralischer Tortur unterworfen und mich gezwungen hast, ein Geheimnis zu enthüllen, das nicht mir gehört.«
    »Sprich nur!« erwiderte Thuillier; »ich übernehme jede Verantwortung; laß mich in dieser dunklen Angelegenheit klar sehen, und ich werde der Erste sein, der sein Unrecht eingesteht.«
    »Diese fünfundzwanzigtausend Franken also«, sagte la Peyrade, »sind die Ersparnisse eines Dienstmädchens, das mich gebeten hat, sie anzunehmen und ihr Zinsen dafür zu zahlen.«
    »Ein Dienstmädchen, das fünfundzwanzigtausend Franken Ersparnisse besitzt? Donnerwetter! Die scheint in einem feinen Hause zu dienen ...«
    »Im Gegenteil, sie führt einem alten kränklichen Gelehrten den Haushalt, und gerade weil es eine in ihren Händen so unwahrscheinliche Summe ist, hat sie daraus in den meinigen eine Art von Fideikommiß machen wollen.«
    »Weißt du, lieber Freund,« sagte Thuillier spöttelnd, »wir waren doch wegen eines Feuilletonromans in Verlegenheit, aber mit deiner Sache hier wären wir ja aus aller Not. Darin steckt doch wirklich Phantasie!«
    »Was?« sagte la Peyrade lebhaft, »du glaubst mir nicht?«
    »Nein, ich glaube dir nicht; fünfundzwanzigtausend Franken Ersparnisse im Dienste eines alten Gelehrten! Aber das wäre ja ebenso glaubhaft, wie wenn der Offizier in der ›weißen Dame‹ sich von seinen Ersparnissen ein Schloß kaufte.«
    »Wenn ich dir aber den Beweis für die Wahrheit meiner Erklärung liefere, so daß du sie mit der Hand greifen kannst?«
    »In diesem Falle würde ich, wie der heilige Thomas, vor dem Augenschein die Flagge streichen; aber du wirst mir gestatten müssen, mein edler Freund, abzuwarten, bis du mir diesen Beweis erbracht hast.«
    Thuillier fand sich großartig und sagte zu sich: ›Ich würde gern zwei Louisdor bezahlen, wenn Brigitte zugegen wäre und sich überzeugen könnte, wie ich mit ihm umspringe.‹
    »Wenn ich nun,« sagte la Peyrade, »ohne das Zimmer zu verlassen, durch ein unter deinen Augen geschriebenes Billett die Person, von der ich das Geld erhalten habe, veranlasse, hier zu erscheinen, und wenn sie dann meine Aussage bestätigt, wirst du mir dann Glauben schenken?«
    Dieser Vorschlag und die Sicherheit, mit der er gemacht wurde, verfehlten nicht, Thuillier in Erstaunen zu setzen.
    »Selbstverständlich«, antwortete er in anderem Tone. »Aber geschieht das noch heute und unverzüglich?«
    »Ohne daß ich das Zimmer verlasse, habe ich dir gesagt, ich denke, das ist doch klar.«
    »Und wer soll das Billett überbringen?« fragte Thuillier.
    Er glaubte, indem er solchen Wert auf jede Einzelheit legte, einen erschöpfenden Scharfsinn zu entwickeln.
    »Wer es überbringen soll?« antwortete la Peyrade, »nun, der Bureaudiener, den du selbst damit beauftragen sollst.«
    »Also dann schreibe«, sagte Thuillier, der seinen Mann damit festnageln wollte.
    La Peyrade nahm ein Briefblatt mit dem Aufdruck der Zeitung und schrieb, indem er die Worte laut vorlas:
    »Frau Lambert wird gebeten, sich in einer dringenden Angelegenheit sofort in das Bureau der Zeitung ›Das Echo de la Bièvre‹, Rue Saint-Dominique-d'Enfer, zu begeben, wohin sie der Überbringer dieses führen wird. Sie wird ungeduldig erwartet von ihrem ergebenen Diener
    Theodosius de la Peyrade.«
    »Ist es so gut?« fragte der Advokat und reichte Thuillier das Blatt hin.
    »Vollkommen,« erwiderte dieser, faltete vorsichtigerweise den Brief selbst zusammen und schloß den Umschlag; »jetzt adressiere«, fügte er hinzu. Und der Brief wanderte in la Peyrades Hände zurück.
    Thuillier klingelte nach Coffinet.
    »Bringen Sie diesen Brief an seine Adresse,« sagte er, »und führen Sie die Person hierher. – Wird sie denn aber auch zu Hause sein?« fragte er überlegend.
    »Das ist sehr wahrscheinlich,« antwortete la Peyrade; »in jedem Falle werden

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