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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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weder du noch ich dieses Zimmer verlassen, bevor sie gekommen ist; die Sache muß aufgeklärt werden.«
    »Also gehen Sie!« sagte Thuillier mit theatralischer Gebärde zu dem Bureaudiener.
    Als sie allein waren, nahm la Peyrade eine Zeitung zur Hand und schien sich in deren Lektüre zu vertiefen.
    Thuillier, der angefangen hatte, ziemlich unruhig bezüglich der Lösung der Frage zu werden, bedauerte, daß ihm eine andere Idee zu spät eingefallen war.
    »Ja,« sagte er sich, »ich hätte den Brief lieber zerreißen und es mit der Erbringung des Beweises nicht so weit treiben sollen.«
    Und da er sich den Anschein geben wollte, als habe la Peyrade noch so ziemlich wie bisher die Stellung inne, aus der er gedroht hatte, ihn zu verjagen, bemerkte er:
    »Hör mal, ich war vorhin in der Druckerei; die neuen Lettern sind angekommen; ich denke, die Zeitung wird morgen erscheinen können.«
    La Peyrade antwortete nicht, sondern erhob sich und setzte seine Lektüre am Fenster stehend fort.
    ›Er schmollt mit mir,‹ sagte sich Thuillier; ›wenn er unschuldig sein sollte, hat er ja auch allen Grund dazu; aber weshalb hat er schließlich Cérizet hergebracht?‹
    Und um seine Verlegenheit und Befangenheit zu verbergen, setzte er sich an den Tisch, nahm einen Redaktionsbriefbogen und schickte sich an, einen Brief zu schreiben.
    Seinerseits setzte sich nun auch la Peyrade, nahm ebenfalls einen Bogen und ließ seine Feder mit der fieberhaften Schnelligkeit eines erregten Mannes über das Papier laufen. Heimlich versuchte Thuillier zu sehen, was der Provenzale schrieb, und da er bemerkte, daß er die einzelnen Sätze trennte und numerierte, sagte er:
    »Du redigierst wohl einen Gesetzesvorschlag?«
    »Jawohl,« antwortete la Peyrade trocken, »das Gesetz des Besiegten.«
    Bald darauf öffnete der Bureaudiener die Tür und führte Frau Lambert herein, die er zu Hause angetroffen hatte und die jetzt etwas erschreckt hereintrat.
    »Sie sind Frau Lambert?« fragte Thuillier im Amtstone.
    »Ja, mein Herr«, antwortete die Fromme unsicher.
    Er bot ihr einen Stuhl an, und da er sah, daß der Bureaudiener noch dastand und auf seine Befehle wartete, sagte Thuillier zu ihm:
    »Es ist gut, Sie können gehen; und lassen Sie niemanden herein.«
    Der Ernst und der hoheitsvolle Ton Thuilliers hatten die Befangenheit der Frau Lambert nur noch vermehrt. Sie hatte geglaubt, daß sie nur mit la Peyrade zu tun haben würde, und sah sich nun von einem Unbekannten in schroffer Weise empfangen, während der Advokat sich damit begnügt hatte, sie zu grüßen und kein Wort weiter sprach; außerdem spielte sich die Szene in dem Bureau einer Zeitung ab, und alles, was mit der Presse zusammenhängt, riecht bekanntlich insbesondere für die Frommen nach Hölle und Teufel.
    »Nun, mein Lieber,« sagte Thuillier zu dem Advokaten, »jetzt kann dich, wie mir scheint, nichts mehr hindern, der Frau zu erklären, weshalb du sie hergerufen hast.«
    Um jeden Verdacht Thuilliers zu beseitigen, war la Peyrade nun genötigt, die fragliche Angelegenheit ohne weitere Umschweife und Vorbereitungen zur Sprache zu bringen.

»Wir wollten Sie fragen, liebe Frau,« sagte er also ex abrupto, »ob es wahr ist, daß Sie vor etwa zweieinhalb Monaten mir die runde Summe von fünfundzwanzigtausend Franken übergeben haben gegen die Verpflichtung, sie Ihnen zu verzinsen.«
    Obgleich sie die Blicke Thuilliers und des Provenzalen auf sich gerichtet sah, konnte Frau Lambert bei dieser so unvorbereitet gestellten Frage sich nicht enthalten, zurückzufahren.
    »Jesus, mein Gott!« rief sie, »fünfundzwanzigtausend Franken! Und wo sollte ich eine solche Summe hergenommen haben?«
    Auf la Peyrades Gesicht zeigte sich nichts von Enttäuschung, wie man hätte annehmen sollen. Aber Thuillier betrachtete ihn mit schmerzlichem Mitleid.
    »Du siehst also, mein Lieber ...«, sagte er.
    »Also,« begann der Provenzale wieder, »Sie sind ganz sicher, diese Summe von fünfundzwanzigtausend Franken nicht in meine Hände gelegt zu haben? Sie bleiben dabei und versichern es?«
    »Ach, lieber Herr, was können denn fünfundzwanzigtausend Franken und eine arme Frau wie ich miteinander zu tun haben? Es ist doch bekannt, daß das Wenige, was ich hatte, in der Wirtschaft des armen guten Herrn, dessen Dienstbote ich seit über zwanzig Jahren bin, draufgegangen ist.«
    »Das scheint mir deutlich zu sein«, bemerkte Thuillier mit Nachdruck.
    La Peyrade ließ auch nicht einen Schatten von Erregung merken; im

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