Die Kleinbürger (German Edition)
Betrag auch als Vorschuß auf deine Mitgift nehmen müßte ...«
»Im übrigen, mein vortrefflicher Freund,« sagte la Peyrade, »müssen wir in jeder Beziehung auf die Abreden unter uns zurückkommen; ich habe nicht Lust, meine Stellung jeden Morgen in Frage gestellt zu sehen, und eben, als wir auf die Frau warteten, habe ich einen kleinen Vertragsentwurf gemacht, den wir besprechen und unterzeichnen wollen, wenn es dir recht ist, bevor die erste Nummer erscheint.«
»Aber in unserm Sozietätsvertrage«, entgegnete Thuillier, »haben wir doch, wie mir scheint, festgesetzt ...«
»Daß du«, unterbrach ihn Theodosius, »für die lumpige Abfindungssumme von fünftausend Franken nach Artikel 14 die Sache allein an dich nehmen kannst; ich danke bestens! Wir werden da auf etwas Besseres bedacht sein müssen.«
In diesem Moment erschien Cérizet. Er trug eine aufgeweckte Siegermiene zur Schau.
»Meine Herren und Meister,« sagte er, »ich bringe das Kapital, in einer Stunde wird die Kautionssache gemacht und angemacht sein.«
Da er aber bemerkte, daß seine Neuigkeit sehr kühl aufgenommen wurde, so fragte er:
»Nun, was ist denn los?«
»Das ist los,« sagte Thuillier, »daß ich mich nicht mit Heuchlern und Verleumdern assoziiere; daß wir weder Sie noch Ihr Geld brauchen, und daß ich Sie ersuche, diesen Ort nicht länger mit Ihrer Gegenwart zu beehren.«
»Sieh, sieh, sieh!« sagte Cérizet, »der Papa Thuillier läßt sich schon wieder mal hineinlegen!«
»Entfernen Sie sich, mein Herr!« sagte Thuillier, »Sie haben hier nichts mehr zu suchen.«
»Mir scheint, Kleiner,« sagte Cérizet zu la Peyrade, »du hast den ehrenwerten Bourgeois herumgekriegt. Nun ja, das Pulver hat er nicht erfunden, und was du kannst, das wissen wir ja. Na, das macht nichts, aber ich finde, du tust Unrecht daran, daß du nicht zu du Portail gehst, und ich werde ihm sagen ...«
»Machen Sie, daß Sie hinauskommen!« sagte Thuillier drohend.
»Ich war es doch nicht, der Sie aufgesucht hat, mein werter Herr,« entgegnete Cérizet; »ich habe ohne Sie zu leben gehabt und werde auch jetzt noch zu leben haben. Sehen Sie nur zu, daß Sie die fünfundzwanzigtausend Franken nicht noch aus Ihrer Tasche bezahlen müssen, denn das kann Ihnen passieren.«
Nachdem er das gesagt hatte, steckte Cérizet seine Brieftasche mit den dreiunddreißigtausend Franken in Kassenscheinen wieder ein, nahm seinen Hut vom Tisch, auf den er ihn beim Hereinkommen gestellt hatte, gab ihm mit dem Unterärmel seinen Glanz wieder und entfernte sich.
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Cérizets Enthüllungen hatten Thuillier zu einem äußerst unheilvollen Feldzug veranlaßt. Er war jetzt la Peyrades untertäniger Diener geworden und genötigt, alle seine Bedingungen anzunehmen. Fünfhundert Franken monatlich für die Tätigkeit des Advokaten bei der Zeitung; seine Artikel mit fünfzig Franken die Spalte honoriert, was bei dem kleinen Format enorm war; die Verpflichtung, die Zeitung sechs Monate lang erscheinen zu lassen oder eine Entschädigung von fünfzehntausend Franken zu zahlen; die festgelegte absolute Allmacht des Chefredakteurs, der unumschränkter Herr war, alle Artikel anzunehmen, zu ändern oder abzulehnen, ohne dafür Gründe angeben zu müssen: das waren die in dem offiziellen Vertrage in doppelter Ausführung und in »vollem Einverständnis« von beiden Parteien unterzeichneten Bedingungen.
Aber in einer andern geheimen Abmachung übernahm Thuillier die Bürgschaft für den Betrag von fünfundzwanzigtausend Franken, die la Peyrade der Frau Lambert schuldete, während der »besagte Herr« la Peyrade nur verpflichtet war, im Falle des Zustandekommens einer Heirat zwischen ihm und Fräulein Celeste Colleville, und wenn die Bürgschaft Thuilliers vorher in Anspruch genommen sein sollte, sich diese Summe als Vorschuß auf die seiner Zeit ihm zu zahlende Mitgift anrechnen zu lassen. Auf diese Weise umging der schlaue Provenzale das Gesetz, das bei der Heirat keine Abstandszahlung gestattet. Denn war das nicht eine richtige Abstandssumme, dieser Betrag von fünfundzwanzigtausend Franken, den Thuillier nur im Falle des Zustandekommens der Heirat zurückerhielt, die bisher doch nur geplant war?
Nachdem alles so geregelt und von dem Wahlkandidaten, der ohne la Peyrade keine Aussicht auf Erfolg hatte, angenommen war, hatte Thuillier einen glücklichen Gedanken: er holte sich aus dem Cirque-Olympique, wo er ihn als Billetkontrolleur gesehen hatte, einen pensionierten Beamten
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