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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sahen einander an, als sie das Zeichen des Einverständnisses, das zwischen den beiden Ehegatten gewechselt wurde, bemerkten, und schienen sich zu fragen, ob der Herr Bürgermeister des elften Bezirks nicht hinter die Schliche seines Sohnes gekommen sei, und ob ihn nicht der Wunsch, sich über die Ausschweifungen seines Sohnes, des Advokaten, Gewißheit zu verschaffen, so lange zurückgehalten habe.
    Da er gewöhnt war, überall, wo er sich befand, die Zügel der Unterhaltung an sich zu reißen, und da er sicher wünschte, seine väterlichen Sorgen hinter dem Anschein vollkommener geistiger Unbekümmertheit zu verbergen, sagte Minard, sobald er eilig einige Bissen zu sich genommen hatte:
    »Wissen Sie schon die große Neuigkeit, meine Herren?«
    »Welche denn?« fragte man von verschiedenen Seiten voll Interesse.
    »Die Akademie der Wissenschaften«, antwortete Minard, »hat in ihrer heutigen Sitzung die Mitteilung von einer außerordentlichen Entdeckung erhalten: wir haben einen Stern mehr am Himmel.«
    »Ei,« sagte Colleville, »da kann er ja den ersetzen, den Beranger zu wenig fand, als er in dem Liede der Oktavia die Abreise Chateaubriands beklagte: ›Chateaubriand, warum fliehst du dein Vaterland?‹«
    Dieses gesungene Zitat machte Flavia zornig, die, wenn es üblich gewesen wäre, daß die Frauen bei Tische neben ihren Männern säßen, sich nicht mit einem strengen drohenden »Colleville!« begnügt haben würde, das sie ihm jetzt von weitem zurief, um ihn zurechtzuweisen.
    »Was für die Gesellschaft hier, an der ich teilzunehmen die Ehre habe,« fuhr Minard fort, »an diesem großen astronomischen Ereignis aber von besonderem Interesse ist, das ist, daß der Entdecker im zwölften Bezirk wohnt, den mehrere von Ihnen ebenfalls bewohnen oder lange Zeit bewohnt haben. Bei diesem bedeutenden wissenschaftlichen Faktum ist übrigens alles erstaunlich. Die Akademie war nach der Vorlesung der Abhandlung, die ihr davon Kunde gab, von der Existenz des Sternes so überzeugt, daß sich nach Schluß der Sitzung eine Deputation in die Behausung des modernen Galilei begab, um ihn im Namen des ganzen Instituts zu beglückwünschen, und dabei ist dieser Stern weder für das bloße noch für das bewaffnete Auge sichtbar; nur durch Berechnungen und Schlußfolgerungen ist seine Existenz und seine Stelle am Himmel in vollkommen unwiderlegbarer Weise bewiesen worden. ›Es muß dort ein unbekannter Stern vorhanden sein; ich kann ihn nicht sehen, aber ich bin seiner gewiß.‹ So sprach der Gelehrte zu der Akademie, die er von Anfang an von seinen Schlüssen überzeugt hat; und wissen Sie, meine Herren, wer dieser neue Christoph Kolumbus der Himmelswelt ist? Ein zu drei Vierteln blinder alter Mann, der gerade noch so viel sieht, um sich über die Straße zu finden.«

»Wunderbar! Fabelhaft!« ertönte es von allen Seiten.
    »Wie heißt denn dieser Gelehrte?« fragten mehrere.
    »Herr Picot, oder wenn Sie lieber wollen, der Vater Picot, denn so wird er in der ganzen Rue du Val-de-Grâce, wo er wohnt, genannt; er ist ganz einfach ein alter Professor der Mathematik, der übrigens bedeutende Schüler hat; auch Felix Phellion, den Sie ja alle kennen, hat seine Studien bei ihm gemacht, und er gerade ist es, der an Stelle seines alten Lehrers die Abhandlung der Akademie vorgelesen hat.«
    Bei der Erwähnung des Namens von Felix erinnerte sich Celeste des Versprechens, das er dem Himmel zugerufen und das sie für einen Anfall von Wahnsinn gehalten hatte, und warf Frau Thuillier einen Blick zu, deren Gesicht sich belebt hatte, und die ihr zu sagen schien: »Mut, mein Kind! Noch ist nicht alles verloren.«
    »Felix, mein Lieber,« sagte Thuillier zu La Peyrade, »soll ja heute abend zu uns kommen; wir müssen ihn dringend bitten, daß er uns die Abhandlung mitteilt; das wäre ein Glücksfall für unser Echo, wenn wir die ersten sein könnten, die sie bringen.«
    »Oh,« bemerkte Minard, der für ihn antwortete, »das wäre etwas für die Neugierde des Publikums, denn die Sache wird ungeheures Aufsehen erregen. Da die Deputation Herrn Picot nicht zu Hause getroffen hat, hat sie sich von da direkt zum Unterrichtsminister begeben; dieser ist in die Tuilerien geeilt, und die Abendausgabe des ›Messager‹, die heute ausnahmsweise ziemlich zeitig erschienen ist und die ich unterwegs in meinem Wagen gelesen habe, bringt die Ernennung Picots zum Ritter der Ehrenlegion und teilt mit, daß ihm eine Pension von achtzehnhundert Franken aus dem

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