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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sie daher eines Morgens zu Celeste, »ich denke, du hast nicht mehr die Absicht, Felix Phellion zu heiraten. Erstens ist er atheistischer als je gesinnt, und dann wirst du wohl selbst bemerkt haben, daß er nicht richtig im Kopfe ist. Du hast ja bei Frau Minard Frau Marmus gesehen, die einen Gelehrten, einen Offizier der Ehrenlegion, geheiratet hat, der sogar Mitglied der Akademie ist. Nun, es gibt keine unglücklichere Frau: ihr Mann ist so weit gegangen, eine Wohnung hinter dem Luxembourg, nahe bei der Rue Notre-Dame des Champs, in der Rue Duguay-Trouin, zu nehmen, einer Straße, die weder gepflastert noch beleuchtet ist. Wenn er ausgeht, weiß er nicht, wohin er geht, und steht plötzlich auf dem Champ de Mars, wenn er nach dem Faubourg Poissonnière will; er ist nicht einmal imstande, einem Droschkenkutscher seine Adresse anzugeben und so zerstreut, daß er nicht zu sagen vermag, ob er schon gegessen hat oder nicht. Du wirst dir vorstellen können, was für ein Leben eine Frau mit einem solchen Menschen verbringen muß, der immer ein Glas vor den Augen hat, um nach den Sternen zu sehen.«
    »Aber Felix,« sagte Celeste, »ist doch gar nicht so zerstreut.«
    »Gewiß, weil er noch jung ist, aber später wird seine Zerstreutheit seine Gottlosigkeit nur noch stärker werden lassen; wir sind deshalb alle überzeugt, daß er nicht der richtige Mann für dich ist, und deine Mutter, dein Vater, Thuillier und ich, alle die im Hause gesunden Menschenverstand haben, haben beschlossen, daß du dich für la Peyrade entscheiden sollst, einen Mann von Welt, der seinen Weg machen wird, der uns sehr große Dienste geleistet hat und deinen Paten auch noch zum Deputierten machen wird. Wir sind bereit, mit Rücksicht auf ihn dir eine Mitgift zu geben, die wir jedenfalls bei einem andern nicht geben würden. Die Sache ist also abgemacht, das Aufgebot wird bestellt und heute in acht Tagen der Ehekontrakt unterzeichnet werden. Wir werden ein großes Diner für die Verwandten und intimen Freunde geben und danach eine Soiree, wo der Kontrakt unterzeichnet und deine Aussteuer und Hochzeitsgeschenke ausgestellt werden sollen, und da ich die Sache in die Hand nehme, so stehe ich dir dafür, daß alles fein werden wird, vorausgesetzt, daß du dich nicht kindisch benimmst und unseren Absichten entgegenkommst.«
    »Aber Tante Brigitte ...« sagte Celeste schüchtern. »Es gibt hier kein ›Wenn‹ und kein ›Aber‹,« entgegnete die alte Jungfer in befehlendem Tone, »die Sache ist abgemacht, es sei denn, daß Sie klüger sein wollen, mein Fräulein, als Ihre Eltern ...«
    »Ich werde tun, was Sie wünschen, liebe Tante«, antwortete Celeste, die fühlte, daß sich ein Unwetter über ihrem Haupte zusammenzog, und die nicht die Kraft hatte, gegen den eisernen Willen, dessen Entscheidung sie eben vernommen hatte, anzukämpfen.
    Sie ging sogleich zu Frau Thuillier, ihrer Patin, um ihren Kummer bei ihr auszuweinen; da sie aber hier nur von Geduld und Ergebung reden hörte, so war dem armen Kinde klar, daß sie von dieser Seite nicht die geringste Unterstützung zu erwarten hatte, und daß sie sich rettungslos opfern müßte.
    Brigitte stürzte sich mit Leidenschaft auf das neue Betätigungsgebiet, das sich ihr eröffnete, und begann sogleich den Feldzug für die Fertigstellung der Aussteuer und den Einkauf der Hochzeitsgeschenke. Wie die Geizigen bei besonderem Anlaß ihre Gewohnheiten und ihren Charakter verleugnen, so fand auch die alte Jungfer nichts schön genug und warf das Geld dermaßen zum Fenster hinaus, daß bis zu dem Tage, an dem die Unterzeichnung des Ehekontraktes stattfinden sollte, der Juwelier, die Schneiderin, die Wäschenäherin, die Modehändlerin, der Tapezierer, alle nur von berühmten Firmen, sich dauernd bei Brigitte aufhielten.
    »Es ist die reine Prozession,« sagte voller Bewunderung Josephine, die Köchin, zu der Franziska von Minards, »von früh bis abends steht die Klingel nicht still.«
    Das Diner wurde bei Chabot und Potel, und nicht bei Chevet, bestellt. Brigitte wollte damit ihre Selbständigkeit beweisen und zeigen, daß sie nicht bei dem von Frau von Godollo Eingeführten festzuhalten brauche. Die Gäste setzten sich folgendermaßen zusammen: drei Thuilliers, drei Collevilles, die Braut mit gerechnet; la Peyrade, der Bräutigam; Dutocq und Fleury, der verantwortliche Redakteur des »Echos de la Bièvre«, die er als Trauzeugen gebeten hatte, da die außerordentlich beschränkte Zahl seiner Beziehungen ihm

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