Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
dann,« fuhr Thuillier fort, »sperrt man eine Frau in Celestes Alter doch nicht ein!«
    »Ich soll deine Frau eingesperrt haben?«
    »Das kannst du doch nicht ableugnen, ich habe ja die Tür doppelt verschlossen gefunden.«
    »Ach so! Weil ich in meinem Ärger über die Gemeinheiten, mit denen sie mich überschüttet hat, unabsichtlich den Schlüssel herumgedreht habe.«
    »Aber,« sagte Thuillier, »Leute in unserer Stellung benehmen sich doch nicht so.«
    »Also ich soll jetzt die sein, die Unrecht gehabt hat? Na warte, mein Junge, an diesen Tag sollst du noch denken, und wir wollen mal sehen, wie die Wirtschaft hier gehen wird, wenn ich mich nicht mehr darum kümmere.«
    »Du wirst dich doch immer darum kümmern,« sagte Thuillier, »das ist doch dein Lebenselement, und du würdest am ersten darunter leiden.«
    »Das werden wir ja sehen«, sagte Brigitte. »Nach zwanzigjähriger Aufopferung werde ich hier wie die niedrigste Person behandelt!«
    Und die alte Jungfer stürzte hinaus und schlug die Tür mit Gewalt hinter sich zu. Thuillier ließ sich dieses Fortlaufen nicht sehr anfechten.
    »Waren Sie zugegen, Flavia,« fragte er, »als sich die Szene abspielte?«
    »Nein, es geschah in Celestes Zimmer; sie ist wohl etwas grob geworden?«
    »Wie ich gesagt habe: sie hat die Hand gegen sie erhoben und sie eingesperrt wie ein kleines Mädchen ... Celeste mag ja eine etwas träge Frau sein, aber man darf doch gewisse Grenzen nicht überschreiten.«
    »Sie ist nicht gerade ein bequemer Hausgenosse, die gute Brigitte,« sagte Flavia; »wir haben auch eben einen kleinen Disput gehabt.«
    »Na, das wird schon alles wieder gut werden«, sagte Thuillier. »Ich erzählte Ihnen schon, meine liebe Flavia, daß wir heute früh einen schönen Erfolg gehabt haben: der ›National‹ bringt zwei ganze Absätze eines Artikels, die gerade mehrere Sätze von mir enthalten.«
    Hier wurde Thuillier wiederum in der Mitteilung seiner politischen und literarischen Erfolge unterbrochen.
    Die Köchin Josephine trat ein und fragte: »Kann mir der gnädige Herr nicht sagen, wo der Schlüssel zu dem großen Koffer ist?«
    »Wer will ihn denn haben?« fragte Thuillier.
    »Das Fräulein hat gesagt, daß ich ihn ihr bringen soll.«
    »Wozu braucht sie ihn denn?«
    »Das Fräulein will jedenfalls verreisen; sie hat schon alle ihre Wäsche aus der Kommode herausgenommen, und jetzt legt sie die Kleider zum Einpacken zusammen.« »Wieder eine Verrücktheit!« sagte Thuillier.
    »Sehen Sie doch mal nach, Flavia, was sie sich da für eine Sache in den Kopf gesetzt hat.«
    »Ach nein,« erwiderte Frau Colleville, »gehen Sie nur selbst zu ihr; in ihrer aufgeregten Verfassung wäre sie imstande, mich zu schlagen.«
    »Ausgerechnet hat meine dämliche Frau«, rief Thuillier, »diese Kontraktgeschichte aufs Tapet bringen müssen! Sie muß wirklich recht starke Dinge gesagt haben, daß Brigitte so aus dem Häuschen geraten ist.«
    »Der gnädige Herr hat mir noch immer nicht gesagt, wo der Schlüssel ist«, bemerkte Josephine nochmals dringend.
    »Ich habe keine Ahnung!« antwortete Thuillier ärgerlich; »suchen Sie ihn selbst, oder sagen Sie ihr lieber, daß er verloren gegangen ist.«
    »Ich werde mich hüten,« erklärte Josephine, »ihr das zu sagen!«
    Jetzt erklang die Türglocke.
    »Das ist gewiß la Peyrade«, sagte Thuillier aufatmend.
    In der Tat erschien gleich darauf der Provenzale.
    »Es ist wahrhaftig Zeit, daß du kommst, lieber Freund,« sagte Thuillier, »denn das ganze Haus ist deinetwegen in Aufruhr, und es ist nötig, daß deine schönen Worte uns wieder Ruhe und Frieden schaffen.«
    Und er teilte dem Advokaten die Ursache und die näheren Umstände des häuslichen Krieges, der eben ausgebrochen war, mit.
    Sich an Frau Colleville wendend, sagte Theodosius: »Ich denke, daß ich, nachdem die Dinge so weit gediehen sind, wohl unbedenklich um eine Unterredung mit Fräulein Colleville für einige Augenblicke bitten darf?«
    Auch hierbei erwies der Provenzale seine gewohnte Geschicklichkeit: er begriff, daß bei der Friedensmission, mit der man ihn beauftragt hatte, Celeste Colleville ausschlaggebend war.«
    »Ich werde nach ihr schicken,« sagte Flavia, »und sie dann mit Ihnen allein lassen.«
    »Mein lieber Thuillier,« sagte la Peyrade, »du wirst zwanglos und mit wenigen Worten Fräulein Colleville veranlassen, ihr Einverständnis zu. erklären, so daß sie annehmen muß, man habe sie deshalb holen lassen. Dann bitte ich, uns allein zu

Weitere Kostenlose Bücher