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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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andern als zu nachsichtig. Der Herr Abbé Gondrin ist mehr Prediger als Kasuistiker.«
    »Aber Herr Felix«, sagte Celeste lebhaft, »scheint doch den Hoffnungen des Herrn Vikars durchaus entsprechen zu wollen, denn ich weiß, daß er ihn heute früh aufgesucht hat.«
    »Also«, sagte la Peyrade ein wenig ironisch, »hat er schließlich doch den Pater Anselm aufgesucht? Aber zugegeben, daß Herr Phellion in seinen religiösen Grundsätzen Ihnen bald die gewünschte Gewähr bieten könnte, haben Sie auch, mein Fräulein, das große Ereignis, das eben in sein Leben eingegriffen hat, in Betracht gezogen?«
    »Gewiß; aber das scheint mir doch kein Anlaß zu sein, schlechter über ihn zu denken.«
    »Nein, aber es kann ihm Veranlassung geben, selbst besser über sich zu denken. Ich befürchte für Sie, daß seine Bescheidenheit, seine Anspruchslosigkeit, die seinem Wesen einen besonderen Reiz verliehen haben, einem Selbstvertrauen und einer Selbstzufriedenheit, der Entwicklung einer ausgesprochenen Persönlichkeit weichen werden, die die Quelle seiner zärtlichen Gefühle trüben und erschöpfen könnten; und das werden Sie sich nicht verhehlen dürfen, mein Fräulein, daß, wer eine neue Welt entdeckt hat, auch noch eine zweite wird entdecken wollen: wollen Sie mit dem Firmament rivalisieren?«
    »Sie führen Ihre Sache sehr geistvoll,« sagte Celeste lächelnd, »und ich glaube, daß Sie als Advokat ein ebenso beunruhigender Gatte sein werden wie Herr Phellion als Astronom.«
    »Um aber ernsthaft zu sprechen, mein Fräulein,« begann der Provenzale wieder, »ich glaube, daß Sie ein vortreffliches Herz haben und der zartesten Empfindungen fähig sind: wissen Sie auch, was Herrn Phellion zuteil geworden ist? Bei seiner Aufopferung für seinen alten Lehrer hat er keinen Schaden erlitten; sein frommer Betrug ist schon bekannt geworden, ebenso, daß er der rechtmäßige Entdecker ist, und wenn ich Minard, den ich eben getroffen habe, Glauben schenken darf, wird er sofort zum Ritter der Ehrenlegion ernannt und sehr bald zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften gewählt werden. Wäre ich eine Frau, so würde ich, daß muß ich Ihnen gestehen, es nicht gern sehen, wenn gerade in dem Augenblick, wo ich einen Mann wieder zu Gnaden aufnehme, sich ein solcher Glücksstrom über ihn ergießt; ich würde fürchten, daß die öffentliche Meinung mir vorwerfen könnte, ich tue das, weil ich mich an dem Kultus der aufsteigenden Sonne beteiligen will.«
    »Oh, mein Herr!« entgegnete Celeste lebhaft, »Sie werden mich eines so niedrigen Gefühls doch nicht für fähig halten.«
    »Ich nicht,« sagte der Provenzale, »ich habe ja auch eben erst das Gegenteil behauptet; aber die Welt urteilt so voreilig, sie ist so ungerecht und zugleich so ganz in Vorurteilen befangen!«
    Als er bemerkte, daß er das junge Mädchen, das nichts erwiderte, in Verwirrung versetzt hatte, fuhr la Peyrade fort:
    »Um nun von einer viel ernsteren Seite Ihrer Lage zu sprechen, von etwas, was nicht nur eine rein persönliche Angelegenheit ist, die Sie, sozusagen, mit sich selbst abmachen müssen – wissen Sie, daß Sie in diesem Augenblick, ohne es zu wollen, die Ursache der traurigsten und bedauernswertesten Szene in diesem Hause geworden sind?«
    »Ich, mein Herr?« sagte Celeste, halb erstaunt, halb erschreckt.
    »Jawohl; Sie haben aus Ihrer Patin, infolge ihrer außergewöhnlichen Liebe zu Ihnen, eine ganz neue Frau gemacht. Zum erstenmal in ihrem Leben hat sie einen eigenen Gedanken gehabt. Und mit dieser Willenskraft, die sich bei ihr um so stärker geltend macht, je weniger davon bisher überhaupt verbraucht wurde, hat sie erklärt, daß sie Ihnen nicht die geringste Mitgift geben wolle, und ich brauche Ihnen nicht zu sagen, an wessen Adresse sich diese unerwartete Ablehnung richtet.«
    »Ich bitte Sie, mein Herr, mir zu glauben, daß ich dieser Absicht meiner Patin vollständig fern stehe.«
    »Ich weiß das wohl,« sagte la Peyrade, »und es wäre ja auch kein großes Unglück, wenn nicht Fräulein Brigitte diese Stellungnahme ihrer Schwägerin, die sie immer ihren Wünschen gegenüber gefügig und gehorsam gefunden hatte, als eine Beleidigung angesehen hätte. Es hat häßliche Auseinandersetzungen gegeben, die bis zu Gewaltakten geführt haben. Thuillier, zwischen Hammer und Amboß gestellt, hat das nicht verhindern können; ohne es zu wollen, hat er im Gegenteil die Sache noch verschlimmert, die sich so zugespitzt hat, daß Sie, wenn Sie nicht

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